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Zahl der Insolvenzen in Deutschland steigt weiter: Die Gründe für die Pleitewelle
Zahl der Insolvenzen in Deutschland steigt weiter: Die Gründe für die Pleitewelle
Von: Maximilian Nagel
Gefühlt schlittern immer mehr Firmen in die Insolvenz. Wie sich die Zahl der Pleiten in den letzten Jahren wirklich entwickelt hat, lesen Sie hier.
Nicht ganz, aber beinahe täglich meldet ein Unternehmen in Deutschland Insolvenz an. Tatsächlich ist das auch in Jahren mit kräftiger Konjunktur der Fall. Nichtsdestotrotz scheint insbesondere bei größeren Mittelständlern zuletzt die Zahl der Pleiten zu steigen. Was sagt die Statistik dazu? Darüber klärt das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn auf.
Dazu werten die Forscher die offiziellen Amtsstatistiken aus. Über Steueranmeldungen ermitteln die Ökonomen auch die Zahl der Gründungen in freien Berufen und unter Land- und Forstwirten.
2023 meldeten in Deutschland 17.814 Unternehmen in der Bundesrepublik Insolvenz an. Das sind deutliche 22,1 Prozent oder rund 2.300 Firmen mehr als noch im Vorjahr. Allerdings gibt es eine Erklärung dafür, so die Forscher.
Darum stiegen die Insolvenzen 2023 so deutlich an
„Dieser Anstieg war angesichts der Krisen sowie der gestiegenen Finanzierungskosten zu erwarten. In den Vorjahren hatte die Befreiung von der Insolvenzantragspflicht bei Pandemiefolgen sowie die Bereitstellung von Fördermitteln noch zu einem niedrigen Insolvenzniveau beigetragen“, schreiben die Ökonomen.
Zum Vergleich: Zwischen 2020 und 2022 lag die Zahl der Insolvenzen immer unter der Marke von 16.000 Unternehmen, so die Auswertung des IfM. Insgesamt, kommentieren die Forscher, „verharrt die Anzahl der Insolvenzen auf einem niedrigen Niveau“. Das zeige der Blick auf die Zahlen der vergangenen 13 Jahre.
Das bleibe auch so, wenn man die Zahl der Pleiten in Relation zu der Zahl an Unternehmen insgesamt stelle. So gerieten 2023 nur 5,7 von je 1.000 Firmen in die Zahlungsunfähigkeit – etwas mehr als 2022, aber deutlich weniger als vor zehn Jahren, als dieses Schicksal acht von 1.000 Unternehmen traf.
Insolvenzen machen nur ein Bruchteil der Schließungen aus
Allerdings zeigen diese Zahlen nur einen Bruchteil der Unternehmen, die aufgeben. Denn nach wie vor seien Insolvenzen „eine relative seltene Form der Unternehmensschließung“. Neun von zehn Firmen machen aus eigenen Antrieb dicht, wenn keine Zukunftsperspektive mehr besteht.
Darüber hinaus macht die bloße Anzahl der Insolvenzen keine Aussage darüber, welche Firmen am Ende stehen, ob es nun ein echter Mittelständler mit potenziell tausenden Arbeitnehmern ist, oder nur ein kleiner Betrieb mit einer Handvoll Mitarbeitern.
Daher gibt die amtliche Statistik auch eine Auskunft über die Beschäftigtengrößenklassen, die allerdings nicht mit den Schwellenwerten der Definition für KMU (kleine und mittlere Unternehmen) zusammenpassen. Mehrheitlich, sagt das IfM, gehören die insolventen Firmen zu den Kleinstunternehmen.
Vor allem bei mittelgroßen Firmen stieg die Zahl der Pleiten zuletzt
Über alle Größenklassen hinweg nahmen die Insolvenzen 2023 zu, allerdings stärker unter den Firmen mit elf bis 100 Angestellten (plus 55 Prozent) und den Unternehmen mit mehr als 101 Mitarbeitern (plus 70 Prozent). Bei vielen Insolvenzen gibt es jedoch keine Auskunft darüber, wie viele Arbeitnehmer betroffen sind.
Die Unternehmensauskunftei Creditreform wertet die Zahlen aber nochmals nach Umsatz aus. Hier zeigt sich: 2023 stieg die Zahl der Insolvenzen bei Firmen, die 25 bis 50 Millionen Euro Umsatz machen, um merkliche 63 Prozent an – bei Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro waren es sogar 67 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Insolvenzwelle erfasst nicht alle Branchen gleichermaßen
Zudem ist nicht jede Branche gleich von der steigenden Zahl an Insolvenzen betroffen. „In besonderer Weise ragt der Bereich Gesundheits- und Sozialwesen hervor, in dem sich die Insolvenzgefährdung fast verdoppelte. Häufiger zahlungsunfähig wurden hier Krankenhäuser und größere Pflegeeinrichtungen“, so die IfM-Forscher.
Auf der anderen Seite gingen kaum mehr Unternehmen im Verkehrssektor pleite als im Vorjahr. Trotz der stockenden Konjunktur im Bau gab es auch hier nur einen vergleichsweise sanften Anstieg. Dabei merken die Ökonomen an: „Die krisenhafte Entwicklung im Baubereich betrifft (noch) nicht die Masse der Bauunternehmen, sondern vorwiegend Bauträger, Projekt- und Immobilienentwickler, die teils zum Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen zählen.“
Eine Insolvenz ist nicht immer der Untergang
Wichtig: Nicht jede Insolvenz bedeutet den kompletten Untergang einer Firma und den Verlust von hunderten oder tausenden Arbeitsplätzen. Auch wenn umgangssprachlich von einer Pleite gesprochen wird, heißt Insolvenz zunächst, dass ein Unternehmen Zahlungsverpflichtungen (in naher Zukunft) nicht mehr nachkommen werden kann oder überschuldet ist.
In vielen Fällen folgt auf eine Insolvenz eine Sanierung, mitunter in sogenannter „Eigenverwaltung“. Das zeigen Beispiele wie etwa der Warenhauskonzern Galeria – die in ganz Deutschland bekannte Kette hat bereits das dritte Insolvenzverfahren hinter sich. Obwohl zahlreiche Standorte geschlossen und Mitarbeiter entlassen wurden, beschäftigt die Warenhauskette weiter über 10.000 Mitarbeiter.
Bei größeren Firmen wird oft ein Fortbestand anvisiert
Generell, so die IfM-Auswertung, steigt die Zahl der Insolvenzen in Eigenverwaltung an. Laut einer Statistik der Kanzlei Baker Tilly gewährten Schuldner im Jahr 2022 198 Insolvenzen in Eigenverwaltung, 2023 waren es bereits 345. Allerdings beschritten vor allem Unternehmen im der Rechtsform der GmbH sowie größere Konzerne diesen Weg.
Wie im Fall von Galeria ist ein Fortbestand des Unternehmens dabei das Ziel. Daher resümieren die IfM-Forscher: „Bei größeren Unternehmen kann daher bei einem Insolvenzantrag nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Unternehmen geschlossen und der Standort abgewickelt wird.“