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Wirtschaft: Lindner fordert sofortige Reformen und neue Mentalität
Bei den Gründerszene-Awards hat der ehemalige Bundesfinanzminister Christian Lindner dazu aufgefordert, Wirtschaft anders zu denken und dringend Bürokratie abzubauen.
Am heutigen Abend haben sich Gründerinnen und Gründer, Investoren und andere Akteure der Startup-Szene versammelt, um die Gewinner des Gründerszene-Awards zu feiern. In diesem Jahr stand der Wettbewerb unter dem Thema „Impact“. Gründerszene hat Startups gesucht, die mit dem, was sie machen oder wie sie es machen, in den letzten Monaten beweisen konnten, dass sie wirklichen Impact leisten. Weil sie die Welt ein Stück besser machen, sei es auf gesellschaftlicher Ebene, oder weil sie zum Schutz der Umwelt und des Klimas beitragen.
Als Highlight-Speaker hat der ehemalige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) eine Rede zum Thema Deutschland als Gründungsstandort gehalten. Er erklärte, wie wichtig die Förderung von Startups für die deutsche Wirtschaft ist und, dass es noch viel Luft nach oben gibt, wenn es um Bürokratieabbau und Digitalisierung geht. Zudem forderte er sofortige Reformen und warnte vor eine, wirtschaftlichen Schaden für das Land: „Deutschland hat keine Zeit zu verlieren, es ist bereits 12 Uhr. Es muss jetzt gehandelt werrden, damit kein wirtschaftlicher Abstieg droht.“
In seiner Amtszeit hatte sich Lindner mit der FDP vor allem für verbesserte Rahmenbedingungen für Startups in Deutschland und mehr Diversität in der Szene eingesetzt. In seiner Rede nannte er konkret drei politische Projekte, die seiner Meinung umgesetzt werden müssen, um Gründungen in Deutschland zu vereinfachen.
#1: Bürokratie-Abbau
Vergangenen Sonntag war Linder zu Gast bei Moderatorin Caren Miosga in der gleichnamigen TV-Show. In der TV-Debatte sprach er sich für mehr Bereitschaft zur Disruption in Deutschland aus und sagte, „Wir sollten in Deutschland ein kleines bisschen mehr Milei und Musk wagen“. Das wiederholte er in seiner Rede bei den Gründerszene-Awards und sprach davon, bisherige Denkmuster zu durchbrechen. „Wir sollten uns nicht die scharfkantigen und schroffen Äußerung eines Elon Musk zum Vorbild nehmen. Aber vielleicht die Mentalität, etwas zu denken, wie nie zuvor und anders, als wir es gelernt haben“. Lindner nannte dabei als Beispiel die wiederverwendbaren Raketen seiner Firma SpaceX.
Er sprach davon, das regulatorische Geflecht zu lichten. „Es dauert zu lange, bis cutting-edge Technologien in die Praxis umgesetzt werden“. Konkret wünscht er sich weniger und schnellere Genehmigungsverfahren. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass deutsche Unternehmen ihre Innovationen im Ausland zu Geld machen und somit deren Wirtschaft ankurbeln.
#2: Transfer von Forschung
Lindner sieht ein Problem mit dem Transfer von außeruniversitären und universitären Forschungen. Als Beispiel nennt er Künstliche Intelligenz (KI). „Nur wenige wissen, dass wir eine beachtliche Dichte an Lehrstühlen und Forschungen im Bereich der KI haben. Über 100 Lehrstühle sind spezialisiert auf KI“, so Lindner. Die dort gewonnen Erkenntnisse würden zu oft im Archiv landen, anstatt in die Praxis umgesetzt zu werden. „Top Wissenschaftler wollen in Deutschland oft Professoren werden. In Stanford wollen sie Unternehmer werden, oder beides“, so Lindner.
#3: Zugang zum Kapitalmarkt
Für Innovationen brauchen Startups Kapital. Doch deutsche Startups würden seit Jahren Kapital aus dem Ausland beziehen. Um „Zukunft made in Germany“ möglich zu machen, wie es der ehemalige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ausdrückte, muss der deutsche Kapitalmarkt attraktiver und die Finanzierungsmöglichkeiten verbessert werden. So könnten Startups und Wachstumsunternehmen leichter neues Kapital für Investitionen aufnehmen. Im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes, welches diese Maßnahmen vorsieht, ist außerdem geplant, Mitarbeiterkapitalbeteiligungen zu verbessern, indem der Steuerfreibetrag angehoben wird.
Die WIN-Initiative bezeichnet er als „Wirtschaftsförderung ohne einen Euro Steuergeld, sondern nur durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen“. Er spricht von einer Win-win-Situation, wenn Deutschland es mehr Menschen ermöglichen würde, am Kapitalmarkt für ihr Alter vorzusorgen. „Somit haben wir mehr Mittel zur Verfügung, um die Zukunft zu finanzieren“. Die zugesagten 12 Milliarden Euro für die WIN-Initiative reichen dafür nicht aus. „Was wir an regulatorischen Erleichterungen angekündigt haben, war nur das, was in der Ampel möglich war. Ich glaube, dass mehr nötig und möglich ist.“ Es wird für den deutschen Disruptionsgeist eine parlamentarische Mehrheit geben, sagt er.
Was die FDP für Startups in der Ampel getan hat
Sowohl FDP als auch Grüne hatten vor ihrer Amtszeit angekündigt, sich besonders für Startups einsetzen zu wollen und Deutschland zum Gründungsstandort zu machen. Im Juli 2022 hatte die Ampel deshalb die erste umfassende Startup-Strategie verabschiedet. Mit ihr sollen die Rahmenbedingungen für Startups in Deutschland verbessert werden. Unter anderem durch einfachere und digitale Gründungsprozesse, die Stärkung von Gründern und Diversität sowie die Erleichterung von Ausgründungen aus der Wissenschaft.
Das bereits erwähnte Zukunftsfinanzierungsgesetz wurde gleich in zwei Schritten umgesetzt. Der erste Teil wurde im November 2023 verabschiedet, der zweite ein Jahr später. Das Gesetz sieht vor, die steuerlichen Rahmenbedingungen für Venture Capital zu verbessern, um die Investitionen zu fördern.
Dabei sollen auch Reinvestitionen von Gewinnen steuerlich begünstigt werden. Die Rede ist von einer Steuererleichterung von 45 Millionen Euro jährlich für Unternehmen. Zudem sollen bürokratische Hürden abgebaut werden, indem zahlreiche Prüf-, Melde- und Anzeigepflichten gestrichen werden.
Auch das Wachstumschancengesetz soll Gründer durch steuerliche Entlastungen unterstützten. Zudem sieht es die sogenannte „Klimaschutz-Investitionsprämie“ vor. Also eine Prämie, die denjenigen zugutekommt, die in sauberer Technologie forschen. Auch die Bereiche Maschinen und Software sollen besonders unterstützt werden. Die verabschiedeten Gesetze der Ampel bezeichnete er in seiner Rede als Anfang, der aber noch lange nicht ausreiche.
FDP hatte das Ende der Ampel akribisch geplant
Die Ampel-Regierung war Anfang November auseinandergebrochen, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Christian Lindner (FDP) als Finanzminister entlassen hatte. Zuvor hatte die FDP ein Papier mit konkreten wirtschaftlichen Forderungen an die Koalitionspartner SPD und Grüne veröffentlicht, die Voraussetzung für ein Festhalten an der Regierung waren. Scholz hatte diese Pläne in seiner Rede als „Klientelpolitik“ und „milliardenschwere Steuersenkungen für wenige Spitzenverdiener“ bezeichnet.
Scholz ist nach eigenen Angaben mit mehreren Angeboten auf Lindner zugegangen. Dieser habe sich aber nicht bewegt. Lindner warf Scholz daraufhin vor, die Entlassung geplant zu haben und zeigte sich überrascht. Wie mehrere Recherchen, allen voran die „ZEIT“, kürzlich zeigten, hatte die FDP das Ende der Ampel aber akribisch geplant und vorbereitet.
In den vergangenen Tagen war auch vom sogenannten „D-Day-Papier“ die Rede, das die FDP für den Ampel-Bruch erarbeitet hatte. Im Zuge der Berichterstattung war zuletzt Bijan Djir-Sarai als Generalsekretär der Partei zurückgetreten. Auf ihn folgte der ehemalige Justizminister Marco Buschmann (FDP). Auch der ehemalige FDP-Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann trat zurück. Lindner hat bisher noch keine Gedanken daran verschwendet, aufzuhören und will seine Partei durch den Wahlkampf führen.