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Welcher Autobauer hat beim autonomen Fahren die Nase vorn?
Seit Jahrzehnten treibt die Automobilhersteller die Frage um, wie Mobilität vereinfacht und sicherer gestaltet werden kann. Schon in den 1970er und 80er Jahren probierten sich OEMs an rudimentären Varianten des autonomen Fahrens. Innovationen wie das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP), das Antiblockiersystem (ABS) und selbst die Automatik-Schaltung waren die ersten Vorläufer des automatisierten oder zumindest assistierten Fahrens. Seither hat sich die Palette an Assistenzsystemen immer weiter vergrößert.
Bis vor wenigen Jahren waren dies jedoch nur inkrementelle Schritte auf dem Weg zum teil- oder hochautomatisierten Fahren. Richtigen Schwung in den Wettbewerb brachte Tesla im Jahr 2015, als der Elektroauto-Pionier in seinem Model S das teilautonome System Autopilot per Software-Update freischaltete. Das System konnte automatisch die Spur wechseln und den Abstand zu anderen Autos halten – ein Novum. Der Vorstoß löste in der Autobranche und darüber hinaus ein regelrechtes Wettrennen um die nächsten Stufen des automatisierten Fahrens aus.
Mercedes-Benz eilt dem Rechtsrahmen voraus
Mercedes-Benz nimmt beim autonomen Fahren eine Vorreiterrolle ein. Nachdem die Entwicklungskooperation mit BMW auf Eis gelegt wurde, folgte Ende 2021 die Zulassung des Drive Pilot auf SAE-Level 3 durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Seit Mai 2022 ist das System für die neue S-Klasse und den EQS verfügbar. Es übernimmt auf deutschen Autobahnen die gesamte Fahrtätigkeit, solange eine festgelegte Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten sowie weitere Voraussetzungen erfüllt werden. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit, die zuvor bei 60 km/h lag wird ab 2025 auf 95 km/h erhöht, wie der OEM nach einer neuen Genehmigung des KBA kürzlich verkündete. Bei der Sensorik greifen die Stuttgarter auf Kameras, Radar, Mikrofone sowie die zweite Lidar-Generation des Valeo Scala zurück. Anlässlich der CES 2023 gab Mercedes zudem bekannt, dass die Funktion für den US-Bundesstaat Nevada zertifiziert wurde. Mitte 2023 folgte Kalifornien. Seit Ende September 2023 ist das Update für S-Klasse und EQS in den USA bestellbar, in Tokio läuft zudem eine Testphase. Die Einführung im Rest der USA, weiteren europäischen Ländern und China ist schrittweise vorgesehen, sobald dort insbesondere die Abwendung von der Fahraufgabe rechtlich erlaubt ist, so der OEM.
Auch der aktive Abstandsassistent Distronic wurde von Mercedes-Benz über die Jahre weiterentwickelt. In den USA und Kanada war das System für die C-, E- und S-Klasse sowie für alle EQ-Modelle bereits auf SAE-Level 2+ verfügbar. Im Juli 2023 erfolgte schließlich die Ankündigung für den europäischen Markt. Mit der Auslieferung der neuen E-Klasse soll Distronic demnach um den automatischen Spurwechsel (ALC) ergänzt werden. Dieser überholt langsamere Fahrzeuge zwischen 80 und 140 km/h ohne Zutun des Fahrers. Notwendig seien lediglich autobahnähnliche Straßen mit Spurmarkierungen und baulich getrennte Richtungsfahrbahnen. Zudem hilft ALC bei beim Ansteuern von Ausfahrten sowie beim Wechseln von Autobahnen. Ab September 2024 ist der Automatic Lane Change im Fahrassistenz-Paket Plus für 33 europäische Länder verfügbar. Insgesamt 15 Mercedes-Benz Typen der C-, E- und S-Klasse, GLC, CLE sowie EQE, EQS sowie EQS SUV und EQE SUV können das System erhalten – entweder ab Werk oder per Over-the-Air-Update.
Analog zur Evolution des Fahrassistenzsystems wird auch das Parken zunehmend autonom: Während der Memory-Park-Assistent auf SAE-Level 2 vollautomatisch einparkt, nachdem ein spezifischer Stellplatz eingelernt wurde, gehen S-Klasse, EQS und seit neuestem auch der EQE einen Schritt weiter. Mit dem Intelligent Park Pilot sind sie für Automated Valet Parking (AVP) auf SAE-Level 4 gerüstet. In Parkhäusern mit der notwendigen Infrastruktur kann somit vollautomatisiert und fahrerlos ein- und ausgeparkt werden. Das Auto wird auf einer vordefinierten Abstellfläche verlassen, fährt eigenständig zu einem freien Parkplatz und kehrt auf Wunsch zur Pickup-Area zurück. Ende 2022 wurde das P6 am Stuttgart Airport zum ersten Parkhaus weltweit, in dem das fahrerlose Parksystem im Serienbetrieb nutzbar ist.
BMW darf Level 3 in Deutschland einführen
Seit Juni 2023 darf man in Deutschland mit bis zu 130 km/h teilautonom in der neuen 5er Limousine von BMW fahren. Der OEM erhielt vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Erlaubnis für das System, welches Nutzern erlaubt, künftig während der Fahrt auf bestimmten Strecken die Hände vom Lenkrad zu nehmen. In den USA und Kanada gab es die Erlaubnis für den Highway Assist bereits davor. In Nordamerika steht die Funktion auch im BMW-Flaggschiff, der 7er-Reihe zur Verfügung. Seit Frühjahr 2024 ist die Fahrfunktion auch für den BMW iX und den BMW XM sowie für den X5, den X6 und den BMW X7 verfügbar. Und auch bei Level 3 werden die Münchener auf deutschen Straßen mit Mercedes-Benz gleichziehen. “Wir bringen das ganze zuerst in Deutschland auf den Markt”, sagt Nicolai Martin, Senior Vice President Fahrerlebnis im Interview mit automotiveIT. Ende September 2023 bestätigte Martin, dass BMW die Zulassung vom Kraftfahrt-Bundesamt für automatisiertes Fahren der Stufe 3 erhalten hat. Seit März 2024 ist das System in der 7er-Reihe verfügbar sein. Danach solle zeitnah China folgen. Angesichts dieses Plans waren die Aussagen von BMW-Chef Oliver Zipse im Rahmen der CES 2023 höchst verwunderlich: Ein Level-3-System, das sich bei den bisherigen Einschränkungen abschalte, sei Unsinn. “Kauft kein Kunde“, so Zipse. Auch das “Risiko” bei der Haftungsfrage wolle BMW nicht eingehen.
Insgesamt hat BMW aktuell rund 40 Fahrerassistenzfunktionen am Markt. Als Vorreiter der Marke fungierte lange der BMW iX mit der bis dato umfangreichsten Serienausstattung. Er ist ebenfalls auf autonomes Fahren bis SAE-Level 3 ausgelegt und sollte ein Etappenziel auf dem Weg zu Level 4 und 5 darstellen. Nach iX und i7 soll das Jahr 2025 den größten Meilenstein markieren: Dann wird die Neue Klasse eine neue Plattformgeneration einläuten und die langfristige Kooperation mit Qualcomm und Arriver zum Tragen kommen. Gemeinsam mit den neuen Partnern, die Mobileye ablösen, steht die Weiterentwicklung von SAE-Level 2 und 3 auf Basis des Snapdragon Ride Vision System-on-Chip (SoC) im Fokus.
VW setzt vermehrt auf Mobileye
Volkswagen galt beim autonomen Fahren lange Zeit eher als Mitläufer. Mit dem Machtwechsel an der Konzernspitze wurden jüngst viele Partnerschaften und Projekte auf den Prüfstand gestellt. Die jüngsten Entwicklungen ergaben unter anderem einen großen Umbruch im Cariad-Vorstand sowie eine neue Kooperation von Porsche und Mobileye beim autonomen Fahren. Die Realisierung des selbsternannten “Leuchtturm-Projekts” Trinity, welches Fahren auf SAE-Level 4 zum Standard machen sollte, steht noch immer in den Sternen. Auch Audis Artemis-Projekt, bei dem mit Unterstützung von Cariad und Nvidia bis 2025 ein eigenes, autonomes Auto auf die Straße kommen sollte, stand zwischenzeitlich ebenfalls zur Diskussion. Gänzlich erledigt hat sich die Partnerschaft mit Ford und die damit einhergehende Beteiligung am Startup Argo AI. Dennoch halten die Wolfsburger an ihrem Ziel fest, ab 2026 einen autonom fahrenden ID. Buzz für den Mobilitätsdienst Moia anzubieten.
Mitte März 2024 kündigte der Konzern die Ausweitung bestimmter Funktionsumfänge der Mobileye-Plattformen SuperVision und Chauffeur für die premiumorientierte Softwarearchitektur E³ 1.2 an, welche schrittweise bei Audi, Bentley, Lamborghini und Porsche zum Einsatz kommen soll. Das aktuelle Assistenzsystem für seine Pkw-Flotte firmiert indes unter dem Namen Travel Assist. Er hilft beim Beschleunigen sowie dem Halten der Fahrspur und des Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug. Zur Verbesserung mittels Schwarmdaten wurde dafür einerseits die neue Software-Generation 3.0 für ID-Modelle ausgerollt, andererseits eine Partnerschaft mit Mobileye verkündet, die eine globale und skalierbare Kartenlösung zum Ziel hat. Die Softwareplattform für alle Fahrzeugklassen der Konzernmarken wird dabei im Rahmen einer Kooperation von Bosch und der Softwaretochter Cariad entwickelt. Ab Mitte der Dekade soll sie zudem auf das Snapdragon Ride-System von Qualcomm zurückgreifen. Eine direkte Kooperation des Tech-Players mit Cariad soll es ermöglichen, eigene Anforderungen bereits frühzeitig zu definieren und so ein optimales Zusammenspiel zwischen der Plattform und der gemeinsam mit Bosch entwickelten Software zu gewährleisten.
Tesla will wieder Radar-Sensoren verbauen
Tesla galt lange Zeit als Pionier und Aushängeschild des autonomen Fahrens. Derzeit fahren die Elektroautos des kalifornischen Unternehmens auf SAE-Level 2+, also weitgehend autonom auf Autobahnen. Untergliedert werden die Funktionen in drei Stufen: Autopilot, Enhanced Autopilot und Full Self-Driving (FSD). Der Autopilot unterstützt beim Beschleunigen, Bremsen und Lenken. Die erweiterte Version enthält unter anderem Navigate on Autopilot, wodurch auch Autobahnkreuze und Autobahnausfahrten autonom gemeistert werden. Hinzu kommen automatische Spurwechsel, ein verbesserter Lenkassistent für komplexere Straßenführungen sowie vollautomatisiertes Ein- und Ausparken ohne Insassen. Full Self-Driving ist derzeit die Beta-Software, die das System um Verkehrszeichen- und Ampelerkennung sowie einen Lenkassistent für den Stadtverkehr erweitert.
Doch Teslas Weg ist aus drei Gründen umstritten: Erstens werden die Marketingbegriffe Autopilot und Full Self-Driving von Kritikern als irreführende Übertreibung bezeichnet, die eine fahrlässige Fahrweise begünstigen. Zweitens gefährde die Firmenphilosophie von Beta-Rollouts die Verkehrssicherheit. Dies ruft zunehmend Behörden auf den Plan. Anstatt Updates nachzulegen, sollten die Systeme demnach zuverlässig funktionieren, bevor sie von Hunderttausenden auf der Straße genutzt werden, so die Kritik. Im ersten Quartal 2025 möchte Tesla Full Self-Driving auch auf europäische Straßen bringen. Ob die hiesigen Behörden dies genehmigen werden, bleibt allerdings fraglich.
Der dritte Grund scheint zumindest bald der Vergangenheit anzugehören. Ging Tesla bei der Umfelderkennung bislang einen Sonderweg, will der US-Autobauer künftig doch wieder Radarsensoren verbauen. Im Gegensatz zur Konkurrenz setzte Firmen-Chef Elon Musk lange Zeit ausschließlich auf Kameras, während die Branche unisono zusätzliche Radar- und Lidar-Sensoren forderte. Für Aufmerksamkeit sorgte im Mai 2024 allerdings die Offenlegung der Kunden von Lidar-Hersteller Luminar. Tesla rangierte dabei mit knapp zwei Millionen US-Dollar weit vorne. Doch auch hier gibt es bislang lediglich Spekulationen, wofür Tesla die Technik am Ende nutzen wird. Bislang verzichtet der OEM auf die Sensoren.
Cruise-Unfälle bremsen GM aus
In den USA gehört General Motors unzweifelhaft zu den größten Treibern des autonomen Fahrens. 2016 übernahm der Autobauer das Startup Cruise Automation und bündelte in der Tochtergesellschaft seine Entwicklungen. Anfang 2020 markierte die Präsentation des autonomen Shuttles Cruise Origin schließlich den Auftakt für mehrere Milliardeninvestitionen. GM zeigte sich vom Robotaxi-Dienst in San Francisco, der ohne Sicherheitsfahrer auskommt, beeindruckt und erwarb im Anschluss weitere Anteile. Seit Kurzem steckt die Erfolgsgeschichte der GM-Tochter jedoch in einem dunklen Kapitel fest. Nur einige Wochen lang war Cruise im Besitz der Erlaubnis zur Ausweitung seiner fahrerlosen Beförderungen in San Francisco. Zwei verheerende Unfälle später darf der Shuttle-Dienst keine Fahrzeuge ohne Menschen am Steuer mehr auf die Straßen lassen.
Ein selbstfahrendes Auto für Privatkunden sei laut GM-Chefin Marry Barra für Mitte des Jahrzehnts geplant. Das Fahrerassistenzsystem Super Cruise bietet der Hersteller indes für Konzernmarken wie Cadillac, Chevrolet, GMC oder Hummer an. Bis 2023 soll es in weiteren Volumenmodellen zum Einsatz kommen. Per Update wurde bislang etwa der automatisierte Spurwechsel ergänzt und das unterstützte Straßennetzwerk von 200.000 auf über 400.000 Meilen erweitert. Währenddessen steht für die Premiumfahrzeuge des OEMs die Weiterentwicklung Ultra Cruise in den Startlöchern. Das Assistenzsystem bildet zwar ebenfalls Level 2+ ab, soll jedoch 95 Prozent aller Fahrszenarien automatisiert beherrschen, also über Highway-Fahrten hinausgehen und den Nutzer auch in Innenstädten oder beim Einparken unterstützen. Den Anfang sollten im Jahr 2023 der vollelektrische Cadillac Celestiq sowie weitere Chevrolet-Modelle machen. Das System funktioniere laut GM auf über drei Millionen Kilometern Straße in den USA und Kanada. Genutzt werde dafür die typische Kombination aus Kameras, Radar- und Lidarsensoren sowie die Snapdragon Ride-Plattform von Qualcomm. Sie verfügt über einen 5-Nanometer-SoC sowie einen KI-Beschleuniger und soll die nötige Rechenleistung ermöglichen.
Um das autonome Fahren auch in China zu forcieren, investiert der US-Autobauer zudem in einen lokalen Experten: Rund 300 Millionen Dollar steckt GM in Momenta aus Peking. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung von KI-Algorithmen für das autonome Fahren spezialisiert. Überdies kooperieren GM und Cruise mit Honda. Im Zuge dessen wurde im September 2022 ein Testprogramm auf den Weg gebracht, das mittels eines Kartierungsfahrzeugs eine hochauflösende Karte in den japanischen Städten Utsunomiya und Haga erstellen soll. Das von den drei Partnern entwickelte Fahrzeug Cruise Origin soll danach in einen autonomen Mobilitätsdienst von Honda überführt werden.
Honda und Sony präsentieren Prototyp
Beim Staupilot auf SAE-Level 3 war Honda noch Pionier. Für den Honda Legend erhielt der Autohersteller bereits im November 2020 die Typenbezeichnung nach der SAE-Norm J3016. Über die japanischen Landesgrenzen schaffte es die Technologie bislang jedoch nicht. Dabei zeichnete sich mit Valeo vor allem ein europäisches Unternehmen verantwortlich. Der Zulieferer brachte ein leistungsstarkes On-board-Steuergerät sowie einen Großteil der Sensoren ein. Insgesamt fünf Scala Lidar-Sensoren und zwei Frontkameras beobachten dabei die Fahrzeugumgebung. Eine Software erzeugt zudem eine detaillierte 360-Grad-Darstellung und ermöglicht Objekterkennung, Datenfusion sowie sicherheitsrelevante Funktionen wie die Selbstdiagnose und einen ausfallsicheren Betrieb.
Das neueste Projekt im Bereich autonomes Fahren geht Honda indes mit Sony an. Den daraus resultierenden Prototyp Afeela stellte der Autobauer auf der CES 2023 vor. Er ist mit insgesamt 45 Kameras und Sensoren ausgestattet und werde auf SAE-Level 2+ im Stadtverkehr sowie unter bestimmten Bedingungen auch auf Level 3 unterwegs sein. Die Vorbestellungen für das E-Auto sollen in der ersten Hälfte des Jahres 2025 beginnen, der Verkauf ist bis Ende 2025 und die Auslieferung ab Frühjahr 2026 in Nordamerika geplant.
Das Knowhow, das bei der Entwicklung dieser Level 3-Systeme erlangt wurde, nutzt Honda für sein Sicherheits- und Fahrassistenzsystem Sensing 360. Zusätzlich zur Weitwinkelkamera ermöglichen dabei fünf Millimeterwellen-Radareinheiten an der Front und an den Ecken des Fahrzeugs eine 360-Grad-Erfassung der Umgebung. In China wurde das System bereits 2022 eingeführt, bis zum Jahr 2030 ist der modellübergreifende Rollout in allen Kernmärkten vorgesehen. Darüber hinaus arbeitet der Autohersteller an einer KI-basierten Fahrerassistenz, die Risiken und Fahrfehler vorhersagt, das Fahrverhalten optimal abstimmt und individuell angepasste Unterstützung bietet. Sie soll auf einem fMRI-Verfahren (Funktionelle Magnetresonanztomographie) zur Erforschung von Gehirnaktivitäten basieren und Daten aus Fahrerüberwachungskamera, Fahrmustern sowie die Sensoren des Autos nutzen. Ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts soll das System auf den Markt kommen.
Ford Blue Cruise nun auch in Deutschland
Ende August 2023 hat Ford hat vom Kraftfahrt-Bundesamt die Freigabe zur Nutzung der Blue Cruise-Technologie in Deutschland erhalten. Mit ihr dürfen Autofahrer auf bestimmten Abschnitten zahlreicher Bundesautobahnen (sogenannten Blue Zones) die Hände vom Lenkrad nehmen – Level 2+ ist damit erreicht. Eine hinter dem Lenkrad installierte Infrarotkamera überwacht allerdings permanent die Augen des Fahrers, denn nach wir vor ist er verpflichtet, das Verkehrsgeschehen zu beobachten. Zunächst wird die Technologie nur im Mustang Mach-E verfügbar sein.
Zuvor machte der US-Autobauer vor allem Schlagzeilen mit dem Ende der Zusammenarbeit mit Argo AI. Nachdem Ford im Jahr 2017 mit einem Milliardenbetrag bei Argo AI einstieg, ist das Kapitel seit Herbst 2022 beendet. Schon früh waren die ersten Testfahrzeuge etwa in der MCity, einem Testarial der University of Michigan, unterwegs. Hinzu kamen Tests auf öffentlichen Straßen etwa in Washington DC oder Miami. Nun führt der US-Hersteller seine Investitionen in den Spezialisten für autonomes Fahren nicht weiter fort. Stattdessen konzentriert sich der Autobauer für das freihändige Steuern auf die sogenannte REM-Technologie (Road Experience Management) von Mobileye. Sie soll in künftigen Versionen von Ford BlueCruise einen Hands-free Driver Assist ermöglichen. Gleichzeitig arbeiten die beiden Partner an einer gemeinsamen offenen Plattform, damit Ford künftig eigene Lösungen entwickeln und integrieren kann.
Zeekr tanzt auf zwei Hochzeiten
Die Elektromarke Zeekr nimmt im Geely-Konzern eine besondere Stellung ein, denn sie geht autonome Autos und Shuttles zugleich an. So kam im Zeekr 001 erstmals SuperVision von Mobileye zum Einsatz – eine ADAS-Lösung, die auf EyeQ5-SoCs und elf Kameras basiert. Aktuell umfasst sie gängige Features wie Adaptive Cruise Control, Verkehrszeichen und- Ampelerkennung sowie Spurwechsel- und Notbremsassistent. Per Over-the-Air-Update hatte der OEM im September 2023 neue, hochautomatisierte Fahrassistenzfunktionen für 110.000 Zeekr 001-Einheiten ermöglicht. Das Update des Fahrassistenzsystems habe bereits gute Kritiken von ersten Testern erhalten. Zu den Hauptmerkmalen des NZP gehören die automatische Punkt-zu-Punkt-Navigation auf Autobahnen, Spurwechsel sowie ein Assistent für das automatische Auf- und Abfahren auf Autobahnen. Besitzer des ZEEKR 009 sollen voraussichtlich noch in diesem Jahr ein ähnliches OTA erhalten. Neben dem Zeekr 009, der Anfang 2023 in China auf dem Markt startete, sollen künftig auch Modelle dreier weiterer Geely-Marken von der Technologie der Intel-Tochter profitieren. Ob bis 2024 jedoch wirklich der Sprung auf SAE-Level 4 gelingt, ist bislang nicht abzusehen.
Dediziert auf SAE-Level 4 und höher ist hingegen der Zeekr M-Vision Concept ausgelegt. Er ist das Produkt einer Kooperation mit der Google-Tochter Waymo und soll als People Mover und Logistikfahrzeug eingesetzt werden. Die Basis dafür liefert jedoch nicht die Sustainable Experience Architecture (SEA) der besagten Pkw, sondern die weiterentwickelte SEA-M-Architektur. Das Innere des auf der CES 2023 präsentierten Fahrzeugs ist dabei individuell anpassbar – auch was Lenkrad und Pedalerie betrifft. Denn bevor die unbemannte Version in Produktion geht, soll in der Waymo-Flotte zunächst ein Sicherheitsfahrer an Bord sein.
Autonomes Fahren bleibt Kernthema bei Volvo
Obwohl die Kooperation von Volvo und Uber nach herben Rückschlägen beendet wurde, gilt die Geely-Tochter weiterhin als Schrittmacher beim autonomen Fahren. Die Entwicklung eines Robotaxis wird stattdessen im Zuge der Waymo-Partnerschaft fortgeführt. Im Gegensatz zu Zeekr setzt Volvo bei seinen neuesten Pkw auf SoCs von Nvidia – so auch beim neuen EX90, der bereits für automatisiertes Fahren auf Level 3 bis 4 vorgerüstet ist. Das vollelektrische SUV verfügt über das aktuelle Assistenzsystem des Autobauers: den Ride Pilot. Dieser basiert auf einer KI-gestützten Software von Zenseact, die kontinuierlich mit realen Daten gefüttert wird und damit maschinelles Lernen ermöglicht. Technologiepartner Luminar steuerte hierfür einen Lidar-Sensor bei, der fünf Radare, acht Kameras und sechzehn Ultraschallsensoren ergänzt. Google lieferte eine speziell für Automotive-Anwendungen entwickelte HD-Karte.
Der vollständig autonome Modus des Ride Pilot befindet sich nach Aussagen des Herstellers aktuell in der Datenerfassungsphase. „Wir sind stolz, die geplante Markteinführung unseres ersten wirklich unüberwacht, autonom fahrenden Modells in den USA ankündigen zu dürfen“, sagt Mats Moberg, Leiter der Forschung und Entwicklung bei Volvo Cars. Sind die technischen und juristischen Bedingungen erfüllt, könne das Assistenzsystem gegen Gebühr freigeschaltet werden.
Polestar setzt auf Luminar und Mobileye
Bei Polestar gehen die Schweden einen ähnlichen Weg: Der Polestar 3 ist mit dem gleichen System ausgestattet und soll ab 2024 mit einem Lidar ausgeliefert werden. Das Sensor-Setup fällt jedoch etwas spärlicher aus als bei der Schwestermarke. Lediglich fünf Kameras, fünf Radarmodule und zwölf Ultraschallsensoren sind an Bord. Darüber hinaus haben der Autobauer und Luminar ihre Partnerschaft auf den Polestar 5 ausgeweitet. Er wird ebenfalls für 2024 erwartet, allerdings mit der neuen 3D-Laserscanning-Technologie. Bei der Entwicklung des Polestar 4 setzen die Schweden auf Mobileye als Partner. Die Systeme namens SuperVision und Chauffeur verfügen über Mobileyes EyeQ System-on-Chip, RSS-basierte Fahrstrategien, ein 360-Grad-Surround-Kamerasystem und eine REM-gestützte Roadbook-Karte. Chauffeur erweitert SuperVision mit dem neuesten EyeQ6 System-on-Chip zusammen mit aktiven Radar- und Lidar-Sensoren der nächsten Generation und bietet damit die zusätzliche Sensorebene, die für den autonomen Betrieb ohne Sichtkontakt erforderlich ist.
Toyota verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz
Auch Toyota hat in den vergangen Jahren vermehrt Erfahrungen im Bereich autonomes Fahren gesammelt und seine Systeme auf öffentlichen Straßen getestet. Seit dem Frühjahr 2022 intensivierte der Autobauer sein Engagement: Mit Advanced Drive ist für die neue Modellgeneration des Toyota Mirai und des Lexus LS 500h seither ein hochautomatisiertes System verfügbar, das nicht nur die Fahrspur und den Abstand hält, sondern auch Spurwechsel vornimmt und andere Verkehrsteilnehmer überholt. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz soll es verschiedene Situationen vorhersagen und den Fahrer anschließend warnen oder selbst eingreifen. Radar- und Kameratechnologie für ein automatisiertes Fahren auf Level 2 und Level 2+ werden von ZF und Mobileye zugeliefert. Die Grundlage für autonome Fahrfunktionen schaffe das Betriebssystem von Apex.AI, so der OEM.
Bei seinen Pilotprojekten musste Toyota allerdings auch Dämpfer hinnehmen als etwa der Betrieb autonomer E-Shuttles bei den Paralympic Games in Tokio eingestellt wurde, nachdem es zu einem Unfall kam. Darüber hinaus verfolgt der Volumenhersteller vor allem einen ganzheitlichen Ansatz, der die Infrastruktur mit einbezieht. Künftig sollen die Technologien in der Modellstadt Woven City – für die 2021 der Grundstein gelegt wurde – unter Realbedingungen erprobt werden. Unter anderem würden dort autonome Mehrzweckfahrzeuge zum Einsatz kommen, die nicht nur dem Personentransport, sondern auch als mobile Geschäfte oder Büros dienen. Gebündelt werden diese Aktivitäten in der Woven Planet Holdings, die mit ihren Tochterunternehmen sowie dem Forschungsinstituts TRI-AD auch an der offenen Plattform Arene und der Automated Mapping Platform (AMP) arbeitet.
Renault strebt keine Autos auf Level 3 an
Zwar kündigte Renault im Mai 2024 an, zeitnah ein Fahrzeug auf Level 4 für den ÖPNV zu präsentieren, im Individualverkehr konzentrieren sich die Franzosen aber auf die Niveaus 2 und 2+. Zwischen der Automatisierungsstufe 2 und der Autonomiestufe 3 bestehe ein erheblicher Unterschied in der technologischen Anforderung, da das Fahrzeug auch in komplexen Umgebungen mit begrenzter Überwachung durch den Fahrer sicher unterwegs sein müsse, heißt es vom OEM. “Allerdings dürfte die Nachfrage nach Fahrzeugen eines solchen Autonomieniveaus angesichts der Kosten für die Endkundinnen und -kunden völlig unzureichend bis nicht vorhanden sein“, prophezeit der französische Autobauer.
Bis 2026 will die Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi mehr als zehn Millionen Fahrzeuge in 45 Modellen mit autonomen Fahrsystemen ausstatten. Um dieses Ziel zu erreichen, soll unter der Führung von Renault eine gemeinsame Architektur entwickelt sowie Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit mit der Google-Schwester Waymo gezogen werden. Nissan selbst präsentierte für das Modell Skyline bereits den ProPilot 2.0, der auf Autobahnen an der Grenze zu SAE-Level 3 arbeitet.
Den Anfang macht eine verbesserte Kollisionserkennung, die Nissan im Juni 2023 vorgestellt hat. Mit Hilfe von Lidar-Sensoren soll sie an komplexen Kreuzungen die Geschwindigkeit und Position von Verkehrsteilnehmer analysieren gegebenenfalls eine Notbremsung einleiten. „Wir sind auf dem besten Weg, bis Mitte der 2020er Jahre ein System zur Kollisionsvermeidung zu entwickeln, das Lidar-Sensoren der nächsten Generation nutzt“, erklärt Takao Asami, der als Senior Vice President die Forschung und Entwicklung des Autobauers leitet.
Seit Ende 2019 sammelt der japanische OEM ebenfalls Erfahrungen mit autonomen Autos in Großbritannien. Der im Projekt Human Drive eingesetzte Nissan Leaf legte unter Beteiligung der Universität Leeds sowie Hitachi eine 370 Kilometer lange Strecke zurück. Im Projekt ServCity fungiert das Modell ebenfalls als Technologieträger: Nach monatelanger Entwicklung, Simulation und Erprobung auf privaten Teststrecken wird es seit Oktober 2022 im Stadtverkehr von London getestet. Auch Hitachi ist erneut beteiligt. Der Konzern steuerte Technologien zur Verhaltensvorhersage von Verkehrsteilnehmern sowie Lokalisierungslösungen bei.
Lucid Air erhält ADAS-Funktionen per Update
Lucid Motors fasst seine ADAS-Funktionen unter dem Namen DreamDrive Pro zusammen und setzt dabei seit Auslieferung des Lucid Air auf die Nvidia Drive Hyperion-Technologie. Das System des E-Autos umfasst 32 Sensoren – bestehend aus 14 Kameras, einem Lidar sowie fünf Radar- und 12 Ultraschallsensoren. Neue Funktionen sollen dabei mit Hilfe von Over-the-Air-Updates, die Nvidia Drive möglich macht, ausgerollt werden, betont Michael Bell, Senior Vice President of Digital bei Lucid. Das letzte Update umfasste unter anderem einen Highway Assist mit Spurhalteassistent und Adaptive Cruise Control.
Vinfast ernennt ZF zum Systempartner
Neben den gestandenen Playern der Branche schicken sich auch recht junge Akteure wie der vietnamesische Autobauer Vinfast an, auf dem Feld der autonomen Mobilität mitzuspielen. Dafür kooperiert der OEM mit dem Friedrichshafener Zulieferer ZF. Durch die Zusammenarbeit sollen in den nächsten Jahren automatisierte Fahr- und Einparkfunktionen der Stufe 2+ eingeführt und die Zusammenarbeit für Stufe 3 und höher in Zukunft verstärkt werden.
ZF wird für den Autohersteller dabei zu einen wichtigen Systempartner, der mehrere Kamera-, Radar- und LiDAR-Sensoren sowie die intelligente Fusion der Sensoren liefert, die in einer zentralen Steuereinheit der Friedrichshafener vernetzt werden. ZF hat die Systeme für VinFast mit seinen internationalen Entwicklungsteams in China, Deutschland und Nordamerika realisiert. Vinfast bringt die Lösungen für automatisiertes Fahren und die entsprechenden Assistenzfunktionen der Stufe 2+ stufenweise seit Mitte 2022 auf den Markt.
Fisker nutzt 4D Imaging Radar von Magna
Um Fisker Orbit – einem vollautonomen Shuttle – ist es seit längerer Zeit still geworden. Stattdessen konzentrierte sich der Newcomer auf den Produktionsstart des Fisker Ocean, der im November 2022 anlief. Das SUV fährt mit dem Fisker Intelligent Pilot zwar nur auf SAE-Level 2, setzt aber dennoch neue Maßstäbe. So besteht das ADAS-System neben Kameras und Ultraschallsensoren aus fünf 4D-Radaren von Magna. Die Liste der Features ist dadurch beachtlich, wenn auch kein Meilenstein der Branche: Unter anderem finden sich ein Spurhalte-, Spurwechsel-, Geschwindigkeits- und Stauassistent, eine Lenkhilfe, Adaptive Drive Control, Verkehrszeichen- und Ampelerkennung sowie Einparkhilfen darin.
Hyundai geht auf Level 4 in den Fahrgastbetrieb
Hyundai präsentierte 2021 ein Robotaxi auf Basis des elektrischen Ioniq 5, das mittels Kameras, Lidar und Radar auf SAE-Level 4 fährt. Das gemeinsam mit dem Aptiv-Joint Venture Motional entstandene Robotaxi kommt ohne Fahrer aus und basiert auf der Electric Global Modular Platform (E-GMP). 2024 soll es den Dienst aufnehmen, seit Februar 2022 ist es tagsüber mit der Via-App in Las Vegas buchbar. Ob die geplante Partnerschaft mit Lyft weiterhin verfolgt wird, ist unklar.
Auf der CES 2023 zeigte Hyundai zudem den Prototyp M.VISION TO. Der kastenförmige Wagen ist eine Mobilitätslösung, die skalierbare Formen und Größen bietet, um verschiedenen Zwecken gerecht zu werden. Er soll auf das langfristige Ziel des OEMs einzahlen, ein Anbieter von Mobilitätsplattformen zu werden, der Elektrifizierung, autonomes Fahren und Konnektivität vereint.
R7 wird zum Technologie-Flaggschiff von SAIC
Bereits im Dezember 2021 gab SAIC den Betriebsstart des SAIC Mobility Robotaxi in China bekannt – einem Dienst auf SAE-Level 4. Die von der Pkw-Sparte, dem AI Lab des OEMs sowie dem Tech-Unternehmen Momenta entwickelten Fahrzeuge bieten eine Rechenleistung von 600 Billionen Operationen pro Sekunde und bauen bei 3D-Wahrnehmung, Datenfusion sowie Redundanz auf „Vision plus Radar“. Zudem verkündete Momenta, dass anstatt eines deterministischen Ansatzes auf Deep Learning gesetzt werde, um die Algorithmen schnellstmöglich zu verbessern.
Serienfahrzeuge und Robotaxis teilen dabei ihre Daten und sorgen für „100 Milliarden Kilometer an Testdaten“. Die neueste Flotte an Robotaxis auf Level 4 soll indes eine Kollaboration des SAIC AI Labs mit Pony.AI hervorbringen. Das Konzeptfahrzeug der Partner ist mit 17 Sensoren und einem „faltbaren“ Lenkrad ausgestattet. Ein genauer Zeitpunkt für die Integration in die Ridehailing-Flotte wurde nicht genannt, die Massenproduktion von Robotaxis visiert SAIC jedoch für das Jahr 2025 an.
Bei den Pkw bildet derweil die R-Serie die Speerspitze des Portfolios. Über 400.000 Kilometer wurden mit ihr im automatisierten Fahrmodus bei hoher Geschwindigkeit getestet. Ende 2022 lieferte ZF seinen Full-Range-Radar für die Modelle der Chinesen aus. Damit ist SAIC einer der ersten Hersteller, der die neue Technologie in seinen Fahrzeugen verbaut. Zuvor hatte unter anderem Fisker einen vergleichbaren Sensor für den Ocean vorgestellt. Ergänzt wird das Sensorsetup des R7 durch den Iris-Lidar sowie der Sentinel-Software von Luminar. Letztere hilft bei der Objekterkennung, -klassifizierung und -verfolgung.
Nio steht beim autonomen Fahren noch am Anfang
Nio konzentriert sich beim automatisierten Fahren zunächst auf spezifische Szenarien wie den Akkutausch, hat aber auch Schnellstraßen, Stadtgebiete und Parken im Blick. Nio Autonomous Driving (NAD) ist in China demnach seit dem vierten Quartal 2023 als Abo-Service verfügbar und soll von da an sukzessive ausgebaut werden. Dafür greift der chinesische Hersteller auf elf Kameras, fünf Millimeterwellen-Radare, zwölf Ultraschallsensoren und einen 1.500 Nanometer Ultra-Longrange-Lidar zurück. Die anfallenden Daten – 8GB pro Sekunde – werden von vier Nvidia Drive Orin SoCs mit 1.016 TOPS verarbeitet. Ab 2024 sollen Sensoren und Chips dann Teil einer einheitlichen All-in-One-Plattform werden. Im größeren Maßstab werde das Fahren jedoch erst bis 2030 automatisiert, so der E-Autobauer auf der Nvidia GTC 2022.
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 06. September 2021 erstellt und wird seitdem fortlaufend aktualisiert.