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Sorgenkind Frankreich: Wo Wirtschaftskrise auf Schuldenstaat trifft
Frankreich steckt in einer Krise, die viele Experten für tiefer und gefährlicher halten als die Probleme Deutschlands.
In Frankreich treffen wirtschaftliche und politische Turbulenzen ein Land mit einem bereits sehr hohen Staatsschulden.
Für Deutschland ist Frankreichs Krise gleich aus drei Gründen sehr wichtig: für die Wirtschaft, für die Schuldendebatte und für die Zukunft der EU.
In Frankreich spielt sich ein politisches und wirtschaftliches Drama ab, gegen das die deutschen Ampel-Probleme wie harmloses Bauerntheater wirken. Seit Präsident Emmanuel Macron im Sommer ohne echte Not Neuwahlen ansetzte, taumelt Frankreich. Am Mittwoch wollte das Parlament Macrons Premier Michel Barnier das Misstrauen aussprechen. Mit einer gemeinsamen Mehrheit von ganz links und ganz rechts. Frankreich steht ohne wirkliche Regierung da – und ohne klare Perspektive. Die Extremen lachen sich ins Fäustchen. An den Finanzmärkten wird Frankreich zunehmend zum Sorgenkind.
Für Deutschland ist die Krise seines wichtigsten Verbündeten und Handelspartner in Europa gleich aus drei Gründen von überragender Bedeutung. Wirtschaftlich, innenpolitisch und für die Stärke der EU.
1. Frankreichs Schulden-Warnung an Deutschland
Wirtschaftlich geht es Frankreich auf den ersten Blick besser als Deutschland. Die Wirtschaft wächst dieses Jahr um rund ein Prozent, während sie in Deutschland allenfalls stagniert. Auch im kommenden Jahr dürfte Frankreich stärker zulegen als Deutschland. Die Arbeitslosenquote ist mit 7,2 Prozent für französische Verhältnisse niedrig (allerdings fast 20 Prozent bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen). Die Inflation lag zuletzt unter zwei Prozent.
Doch über Frankreichs Wirtschaft ziehen dunkle Wolken auf. Beispielhaft steht dafür der Absturz des S&P-Einkaufsmanagerindex im November. Französische Unternehmen berichten über eine grassierende Nachfrageschwäche. Auch in Frankreich geht sie von der Autoindustrie und vom Bau aus. Auch in Frankreich häufen sich die Firmenpleiten. Der Auftragseingang der Industrie ist auf dem tiefsten Stand seit Corona. Das klingt aus deutscher Sicht alles vertraut. Selbst, dass die Olympischen Spiele in Paris und die Fußball-EM in Deutschland nur kurze Strohfeuer waren.
Doch es gibt den einen großen Unterschied. Deutschland hat vergleichsweise solide Staatsfinanzen. Hier wird diskutiert, die selbstauferlegte Schuldenbremse etwas zu lockern, um den Investitionsstau zu lösen. In Frankreich trifft die Krise dagegen auf ein bereits gefährlich hoch verschuldetes Land. Diese Finanznot hat die politische Krise sogar unmittelbar ausgelöst.
In Frankreich sind die Staatsschulden mit einer Schuldenquote von 110 Prozent des BIP größer als die Wirtschaftsleistung eines Jahres. Tendenz steigend. In Deutschland sind es knapp 63 Prozent. Tendenz sinkend. Frankreich steuert aktuell auf ein laufendes Etatdefizit von sechs Prozent des BIP zu. Laut EU sind nur drei Prozent erlaubt. Premier Barnier wollte ein Gesetzespaket durch das Parlament bringen, um das Defizit bis 2029 auf diese Marke zu senken. Das Volumen von 60 Milliarden Euro sollte je zur Hälfte durch Einsparungen und Steuererhöhungen aufgebracht werden. Es endete im Chaos.
Barnier selbst warnte sogar vor einem Orkan an den Finanzmärkten, sollte Frankreich keinen Sparhaushalt verabschieden können. Schon jetzt ist Frankreichs Bonität schlechter bewertet. Für Staatsanleihen muss Frankreich im Vergleich zu Deutschland einen Risikoaufschlag bei den Zinsen von fast 90 Basispunkten zahlen. Schulden sind teuer. Doppelte Schulden sind mehr als doppelt so teuer.
„Nicht Deutschland, sondern Frankreich ist das Sorgenkind der Eurozone!“, überschrieb der Vermögensverwalter Bantleon eine Analyse.
2. Frankreich für deutsche Wirtschaft wichtiger als China
Jedes Prozentpünktchen weniger Wachstum in Frankreich schlägt auf die deutsche Wirtschaft durch. Denn Frankreich ist nicht nur Deutschlands wichtigster Handelspartner in Europa, sondern auch der zweitgrößte Exportmarkt. 2023 verkauften deutsche Exporteure Waren für 120 Milliarden Euro nach Frankreich. Mehr waren es nur mit 158 Milliarden in die USA. Frankreich ist damit auch deutlich wichtiger als China mit knapp 100 Milliarden. „Alle Unternehmen, die nach Frankreich exportieren, werden von der Schwäche betroffen sein“, sagte Jürgen Michels, Chefvolkswirt der Bayerischen Landesbank.
3. Fallen Frankreich und Deutschland für Europa aus?
Deutschland hat nach dem Ampel-Aus bis in das Frühjahr keine voll handlungsfähige Regierung. In Frankreich könnte die Hängepartie noch länger dauern. „Wollen wir wirklich das Chaos? Wollen wir eine Wirtschaftskrise, die die Schwächsten trifft?“, fragte Innenminister Bruno Retailleau laut FAZ im französischen Fernsehen. Die Antwort dürfte gerade in Frankreich „ja“ lauten. Sie wollen Chaos. Überall in Europa haben rechte und linke Populisten ein Interesse: dass Probleme größer werden. Wirtschaftlich werden sie das besonders in Deutschland und Frankreich. Politisch kommt das Machtvakuum ausgerechnet zu der Zeit, in der Donald Trump im Januar wieder Präsident der USA wird.