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So will der Startup-Verband für “Weltklasse made in Germany” sorgen
| Redaktion
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09.09.2024
Mit Fokus auf die sechs Themen Talente, Finanzierung, DeepTech, Rolle des Staates, ClimateTech und Diversity haben die Hauptverantwortlichen des Verbands am Montag einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgestellt. Dieser soll parteiübergreifend und ideologiefrei aufzeigen, was deutsche Gründer brauchen, um sich künftig im globalen Wettbewerb zu beweisen.
Wir erinnern uns: Im vergangenen Dezember wurde Verena Pausder als neue Vorsitzende des deutschen Startup-Verbands präsentiert. Als erste Frau auf dieser Position trat sie damals die Nachfolge von Christian Miele an und stellte in Aussicht, “Deutschland zum gründungsfreundlichsten Standort in Europa” machen zu wollen. “Wir stehen uns zu oft selbst im Weg und verspielen dabei unsere Zukunftschancen”, befand sie im Zuge ihres Amtsantritts und betonte die Bedeutung von Deutschland als relevantem Innovationsstandort.
Um den Ansatz mit Substanz zu verfolgen, hat der Verband seit März dieses Jahres mithilfe von über 100 Fachleuten an einem Maßnahmenkatalog gearbeitet. Ergebnis der Bemühungen ist die sogenannte Innovationsagenda 2030, die Verena Pausder am Montag zusammen mit Verbands-Geschäftsführer Christoph Stresing in Berlin vorgestellt hat. Das in PDF-Form 55 Seiten starke Dokument kann hier in Gänze eingesehen werden.
Praxisorientiertes Playbook
Die Agenda enthält demnach “das Kondensat aus all dem Wissen, der Expertise und der Erfahrung, die in unserer Mitgliedschaft und in unserem breiten Netzwerk vorhanden sind”. Gleichzeitig sei sie “keine Wissenssammlung darüber, was wir tun müssten”, sondern ein praktisch orientiertes “Playbook für die nächsten Jahre, mit konkreten Lösungsvorschlägen, die ineinandergreifen”. Würde die Bundesregierung den “Vorschlägen Priorität einräumen und sie entschlossen umsetzen, steht einer Weltklasse Made in Germany nichts im Wege”, heißt es überzeugt.
Im Einklang mit der Jahreszahl im Titel des Papiers sollen speziell folgende Regierungen der Bundesrepublik inspiriert und motiviert werden. “Die Startup-Strategie muss in der nächsten Legislaturperiode fortgeschrieben und weiterentwickelt werden”, fordert der Verband und präzisiert: “In den ersten 100 Tagen nach Amtsübernahme sollten die Arbeiten dafür starten”.
Gleichzeitig liefern die Verantwortlichen in Form sogenannter “Quick-Wins” bestimmte Maßnahmen, die “realistischerweise noch vor den Bundestagswahlen umgesetzt werden können und sollten, weil die Gesetzgebungsverfahren bereits begonnen haben oder kurz bevorstehen”.
Die sechs Kernthemen
Der Hauptteil der Innovationsagenda 2030 ist in sechs Kapitel unterteilt, die sich jeweils einem Kernthema des Verbandes widmen. Nachfolgende Zusammenfassungen sind ausgesprochen komprimiert und enthalten längst nicht alle Vorschläge, die der Verband zu unterbreiten hat – bei offenen Fragen oder dem Wunsch nach weiterem Input ist de Lektüre des Originals auf jeden Fall ratsam.
Talente
Der Fachkräftemängel wird auch unter Startups als Wachstumsbremse identifiziert. Deshalb soll die Rekrutierung von hochqualifizierten Mitarbeitern erleichtert werden, indem bis 2030 alle “Visa-Anträge und -Verfahren digital über sichere Online-Portale abgewickelt werden”. Auch die Vergabe der Aufenthaltstitel müsse effizienter gestaltet werden, etwa durch die “Vereinheitlichung der Entscheidungen und Zentralisierung der Zuständigkeiten”. Darüber hinaus sieht der Verband in der Einführung von Englisch als zweite Amtssprache ein Zeichen an die “Welt, dass wir es mit einer aktiven Willkommenskultur ernst meinen”.
Finanzierung
In Anbetracht einer jährlichen Finanzierungslücke von derzeit etwa 30 Milliarden Euro möchte der Startup-Verband “bis 2030 die Venture-Capital-Investitionen in Deutschland verdreifachen und auf 1 Prozent des BIPs anheben“. Dazu solle besonders privates Kapital dienen, etwa durch die WIN-Initiative. Zwecks zusätzlicher Transparenz plädiert der Verband dafür, die Daten des European Investment Funds (EIF) zu veröffentlichen und gezielt zu kommunizieren.
Rolle des Staates
Bis 2030 möchte der Verband den Staat als größten Auftraggeber zur Innovationsförderung sehen, wobei mindestens fünf Prozent aller öffentlichen Aufträge an Startups vergeben werden sollen. Die “bundesweite Vereinheitlichung und Vereinfachung des Vergaberechts” stellt dafür eine wichtige Voraussetzung dar.
Damit der Staat “Taktgeber für unseren Innovationsstandard” werden kann, sei ein “kultureller Wandel” auf Verwaltungsebene wichtig; unter anderem durch neue Fachkräfte aus der freien Wirtschaft. Moderne Infrastruktur und Basisdienste sowie einfachere, digitale Verwaltungsprozesse werden als essenzielle Bausteine benannt und die Installation eines Chief Digital Officers im Bundeskanzleramt vorgeschlagen.
DeepTech
Bezogen auf das DeepTech-Ökosystem sei eine Aktualisierung in den Bereichen Finanzierung, Markteintritt, Transfer und Regulatorik erforderlich. Im Interesse des Finanzierungsangebots solle das Volumen des “Deep Tech & Climate Fonds” (DTCF) vergrößert werden. Der Verband wünscht sich eine stärkere Verknüpfung von Mittelstand und DeepTech-Startups und außerdem die Auflösung der strikten Trennung zwischen militärischer und ziviler Forschung. In der stärkeren “Priorisierung von Ausgründungen an Hochschulen und Forschungsinstituten” sieht er einen zentralen Hebel für den Technologietransfer.
ClimateTech
Laut Verbandsangaben befassen sich etwa 30 Prozent der Startups in Deutschland mit der Klimakrise, doch lediglich ein Fünftel des verfügbaren Venture Capitals fließe in entsprechend ausgerichtete Unternehmen. Um “die Klimaziele” zu erreichen, sei eine Steigerung der Investitionen um 590 Prozent erforderlich, während die Errichtung von FOAK-Anlagen (“First of a Kind”) die nötige Skalierung von Klimatechnologien unterstützen würde. Die Zahl der deutschen Climate-Unicorns soll sich bis 2030 idealerweise verdoppelt haben.
Diversität
Der deutsche Startup-Verband moniert insbesondere den relativ geringen Anteil an Gründerinnen, den er in den nächsten fünfeinhalb Jahren gern auf 30 Prozent angewachsen sehen würde. Neben einer nicht sehr optimistischen Andeutung, dass mehr Kita-Plätze wünschenswert wären, schlägt der Verband eine höhere Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten vor.
Um das Startup-System von der Wurzel aus diverser zu machen, spricht er sich zudem dafür aus, dass Unternehmertum als veritable Berufsoption in Bildungseinrichtungen präsentiert wird – je früher Menschen damit in Berührung kommen, desto besser sei es langfristig für Startups.