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Österreichs „deutsche Wirtschaftskrise“ und der Aufstieg der FPÖ

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Österreichs „deutsche Wirtschaftskrise“ und der Aufstieg der FPÖ

In der Tür zur Macht: FPÖ-Herbert Kickl hat den Auftrag zur Regierungsbildung in Österreich.
Andreas Stroh/ZUMA Press Wire

In Österreich hat der Chef der rechtsnationalen FPÖ, Herbert Kickl, den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Er strebt eine Koalition mit der konservativen ÖVP an.

Für den Aufstieg der FPÖ gibt es viele Gründe. Einer ist die anhaltende Wirtschaftskrise in Österreich.

Das Land kämpft mit ähnlichen Problemen wie Deutschland und schneidet bei vielen Daten sogar noch schlechter ab.

Österreich steht vor einem historischen Regierungswechsel. Bei der Wahl Ende September hatte die rechtsnationale FPÖ erstmals die meisten Stimmen gewonnen. Nachdem Verhandlungen über eine Koalition von ÖVP, SPÖ und Neos scheiterte, erteilte Bundespräsident Alexander von der Bellen FPÖ-Chef Herbert Kickl den Regierungsauftrag. Kickl spricht jetzt mit der konservativen ÖVP über eine Koalition. Kommt sie nicht zustande, könnte es Neuwahlen geben.

Der Aufstieg der FPÖ in Österreich kam nicht plötzlich. Er hat viele Gründe. Neben dem Theme Migration spielen auch in Österreich wirtschaftliche Probleme eine wichtige Rolle. Die giftige Mixtur aus schwacher Konjunktur, strukturellen Themen und negativen Sondereffekten weist dabei große Ähnlichkeit mit den Problemen Deutschlands auf. In vielen Daten schneidet Österreich sogar noch schlechter ab.

Die Wirtschaft Österreichs dürfte 2024 sogar um 0,9 Prozent geschrumpft sein, schätzt Österreichs Nationalbank. In Deutschland ist der Rückgang mit minus 0,2 Prozent wahrscheinlich etwas milder. Beide Länder blicken nun aber auf zwei Rezessionsjahre zurück. Beiden Ländern trauen Ökonomen auch 2025 allenfalls ein Mini-Wachstum von weniger als einem Prozent zu.

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Und in beiden Ländern ist die Wirtschaftsleistung pro Kopf heute geringer als 2019, also vor der Corona-Pandemie und Russlands Überfall auf die Ukraine. Die vergangenen Jahre markieren damit die Phase mit dem bisher schwächsten Wirtschaftswachstum in der Geschichte beider Nachbarländer. Dies trifft laut dem Internationalen Währungsfonds nur auf fünf europäische Volkswirtschaften zu: Österreich, Deutschland, Luxemburg, Estland und Finnland.

Experten sind einig, dass die wirtschaftlichen Probleme für viele Österreicher ein Grund waren, die FPÖ zu wählen. „Es gibt seit 2029 eigentlich kein Wachstum in Österreich“, sagte der Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), Gabriel Felbermayr, der „Welt“. Gleichzeitig ist die Bevölkerung infolge einer relativ hohen Einwanderung gewachsen. Pro Kopf habe sich die Wirtschaftsleistung damit schlechter entwickelt als in Europa – auch als in Deutschland. Dass der britische „Economist“ Deutschland als „kranken Mann Europas“ bezeichnete, „liegt wohl bloß daran, Österreich nicht wichtig genug war“, sagt Christian Helmenstein, Chefökonom des Industrieverbandes. „Leider liegt die Rolle bei Österreich“.

Deutschlands Probleme strahlen nach Österreich aus

Die wirtschaftlichen Probleme Österreichs klingen für deutsche Ohren vertraut. Österreich hat mit 30 Prozent einen sehr hohen Industrieanteil. Viele Unternehmen sind stark auf Exporte angewiesen. Für Österreich kommt erschwerend hinzu, dass mit einem Anteil von knapp 30 Prozent viele Exporte nach Deutschland gehen. Viele Zulieferer für die angeschlagene deutsche Autoindustrie produzieren in Österreich. Deutschlands Probleme strahlen also unmittelbar nach Österreich aus.

Wie Deutschland war Österreich in hohem Maße Energie, vor allem Gas aus Russland angewiesen. Während Russland die Gaslieferungen nach Deutschland bereits 2022 stoppte, bezog Österreich bis Ende 2024 noch russisches Gas über eine Pipeline durch die Ukraine. „Beide Länder sind Exportnationen und beide Länder leiden unter gestiegenen Energiepreisen“, sagt der Wiener Ökonom Holger Bonin.

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Wie alle mittel und osteuropäischen Staaten litt auch Österreich seit 2022 unter einer extrem hohen Inflation. Seit einiger Zeit steigen auch in der Alpenrepublik die Löhne und Gehälter zwar wieder stärker als die Preise. Die Kaufkraft der Einkommen nimmt also zu. Dennoch sind die verunsicherten Verbraucher mit dem Konsum sehr zurückhaltend.

Die Inflation war 2024 mit durchschnittlich 3,0 Prozent immer noch deutlich höher als in Deutschland mit 2,2 Prozent. Die Beschäftigung ist zwar hoch. Doch die Arbeitslosigkeit stieg 2024 von 6,3 auf 7 Prozent. Für das laufende Jahr erwartet das WIFO eine weitere Zunahme auf 7,4 Prozent. In Deutschland liegt sie bei 6,0 Prozent.

„Tu Felix Austria“ ist passé

Österreichs Wirtschaft gilt in mancher Hinsicht als verkrusteter, der Staat als noch bürokratischer als in Deutschland. In wichtigen Branchen wie im Einzelhandel oder der Energieversorgung ist der Wettbewerb gering. Entsprechend hoch sind die Preise. Österreichs größtes Unternehmen ist der Energieversorger OMV.

Österreichs Unternehmen sind zudem mit hohen Lohnnebenkosten belastet. Allein für die Rentenversicherung liegt der Beitrag mit 22,6 Prozent deutlich über den 18,6 Prozent in Deutschland.

Das sprichwörtliche „Tu Felix Austria“ ist passé. Die Stimmung ist am Boden. Die Unfähigkeit der Mitte-Parteien, sich auf einen gemeinsamen Weg aus der Krise und Reformern zu verständigen, hat den Verdruss noch verstärkt.

Was will die FPÖ für Österreich?

Nicht absehbar ist, wie die rechtsnationale FPÖ die Probleme lösen könnte. Als „Sofortmaßnahmen“ will Kickl öffentliche Ausgaben reduzieren – unter anderem Sozialausgaben für Migranten. Die FPÖ will das Land mit einer harten Gangart gegen Zuwanderung zu einer „Festung Österreich“ ausbauen. Dabei leidet auch Österreich unter einer Alterung der Bevölkerung und einem zunehmenden Mangel an Fach- und Arbeitskräften.

Die FPÖ will zudem Steuern für ältere Arbeitnehmer und Kleinunternehmer senken. 2024 verzeichnete der Staatshaushalt ein Defizit von 3,7 Prozent. Die Prognosen sehen für die kommenden beiden Jahren steigende Defizite vor.

Kickl ist betont EU-skeptisch. Österreich gehört der Europäischen Union seit 1995 an. Schon damals war die FPÖ gegen den Beitritt. Als sein Vorbild nennt Kickl Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Kickl gibt sich zudem betont Russland- und Putin-freundlich und lehnt viele der Sanktionen ab.

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