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„Negativserie setzt sich leider fort“: Die große Olympia-Bilanz von Team Deutschland
Der französische Klassiker „Aux Champs-Elysées“ wurde gespielt, auch das Olympia-Maskottchen sagte au revoir, als der Eurostar um 9.25 Uhr den Bahnhof „Gare du Nord“ in Richtung Köln verließ. Team Deutschland verabschiedete sich mit mehr als 120 Sportlerinnen und Sportlern per Sonderzug aus Paris.
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Für Olaf Tabor war es einer der „schönen Momente“, von denen der Vorstand Leistungssport des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in seiner Bilanz gesprochen hatte. Er meinte damit die „großen Emotionen“ beim Olympiasieg von Darja Varfolomeev, der Sensation im Kugelstoßen durch Yemisi Ogunleye, den überraschenden Erfolg im 3×3-Basketball oder den Handball-Wahnsinn von Lille. „Team D hat hier eine wirklich gute Rolle gespielt“, sagte Tabor.
Doch Leistungssport ist immer auch Ergebnissport. Und da fällt die Bilanz durchwachsen aus. Zwar wurde in Paris die deutsche Nationalhymne für Gold öfter als in Tokio gespielt (zwölfmal; 2021 zehn), das Minimalziel Platz zehn in der Medaillenwertung auch erreicht. Doch die Ausbeute mit 33 Medaillen ist die schlechteste seit der Wiedervereinigung. „Die Negativserie setzt sich leider fort“, sagte Tabor. Da sind die medaillenlosen Fechterinnen, Sportschützen, Ringerinnen und Segler. Im Judo bewahrte Miriam Butkereit ihren Verband mit Silber vor einer ähnlichen Bilanz. Und es bleibt dabei: Reiten (fünf Medaillen, davon viermal Gold) und Kanu (sechs Medaillen, davon zweimal Gold) bleiben die Medaillen-Garanten.
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Doch beim geschärften Blick fällt auf: Die Reit-Familie führt abseits der Verbandsstrukturen ihr Eigenleben in ihrer Welt von Eignern und privaten Stallanlagen. Das Ruder-Gold durch Oliver Zeidler im Einer ist das Ergebnis des Familienunternehmens mit dem Vater als Trainer an der Spitze. Und einige, wie 3×3-Basteballerin Elisa Mevius (Gold) oder Zehnkämpfer Leo Neugebauer (Silber), leben, studieren und trainieren seit Jahren in den USA.
Viele Trainer wandern ins Ausland ab
Entsprechend rumort es im deutschen Sport. So sorgte die Kritik der Gold-Kanuten in Paris für eine große Welle. Max Rendschmidt („Wichtig ist nicht, dass Politiker nur fürs nächste Wahlergebnis hier sind“) und Tom Liebscher-Lucz („Er soll lieber Entscheidungen für den Sport treffen“) hatten diese spontan an Bundeskanzler Olaf Scholz gerichtet. Eric Johannesen, Steuermann des Deutschland-Achters, fordert für das Rudern, „dass wir uns trainingswissenschaftlich neu aufstellen müssen. Bei den Trainingsinhalten sind andere Nationen weiter als wir.“ Zudem verlangt er, „dass es wie bei den anderen Nationen einen zentralen Stützpunkt gibt, wo sich die gesamte Kompetenz bündelt, auch finanziell“. Aktuell hat der Deutsche Ruderverband (DRV) drei. Auch Jörg Bügner, Sportvorstand des Leichtathletikverbands (DLV) stimmt in den Kanon mit ein. „Wir schreiben Excel-Tabellen, die anderen trainieren. Und das kann nicht sein.“ Kein Wunder, dass viele Trainer ins Ausland gehen.
Die Paris-Spiele haben aber auch gezeigt, was Olympia bewirken kann. Dann, wenn das Spiel der US-Basketballer zur Nebensache wird, weil Frankreichs neuer Schwimmstar Léon Marchand die Arena betritt. Olympia hat in Frankreich eine neue Begeisterung für den Sport ausgelöst. Bob Hanning, das Enfant terrible des Handballs, sieht in einer Olympia-Bewerbung für 2040 die Chance für einen Paradigmenwechsel. „Wir brauchen ein gemeinsames Ziel, hinter dem sich alle versammeln. Wir könnten uns der Welt anders zeigen als bisher.“ Denn das momentane Bild, das kotze ihn an. „Da geht es nur um Worklife-Balance ohne Work, das Abschaffen jeder Art von Leistung. Wir verlieren Werte, verlieren Arbeit, verlieren Charakter. Das ist grausam. Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte, wo wir denn hinwollen. Unser Land braucht einen Ruck.“