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Modebranche „befindet sich generell im Niedergang“

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Modebranche „befindet sich generell im Niedergang“

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In der Lüdenscheider Esprit-Filiale ist Shopping vorerst weiterhin möglich. Bis Ende des Jahres schließen aber alle Filialen in Deutschland. © Nougrigat

Jahrelang gehörte Esprit in jede deutsche Einkaufsmeile. Nach der im Mai beantragten Insolvenz steht nun fest: Alle Filialen müssen schließen. Doch das dürfte nicht die letzte Marke sein.

Ratingen – Es ist vorbei in Deutschland für Esprit. Nachdem das Insolvenzverfahren des Modekonzerns am 1. August eröffnet wurde, steht nun fest, dass alle 56 Filialen im Land bis Ende des Jahres geschlossen werden. Der neue Investor, dem auch „Cecil“ und „Street One“ gehören, übernimmt lediglich die Markenrechte. Rund 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren ihren Job. Die Geschäfte außerhalb von Europa sind davon zwar nicht betroffen. Die Hauptgesellschaft des Konzerns, die Esprit Holding, sitzt in Hongkong. Deutschland war jedoch der wichtigste Markt. 

Esprit-Insolvenz laut Expertin nicht einzigartig in der Branche

Nach Ansicht von Britta Harjes, Direktorin im Bereich Konsumgüter und Handel bei der Münchner Unternehmensberatung Atreus, ist die Situation um Esprit leider nicht einzigartig. „Das mittlere Preissegment, das einst die Branche ausmachte, befindet sich generell im Niedergang. Das betrifft nicht nur Esprit, wir beobachten ein grundsätzliches Problem, das nahezu alle Marken im Mittelklassesegment trifft“, sagt sie gegenüber IPPEN.MEDIA.

Der Kampf zwischen billigem Fast Fashion und dem Luxussegment setze Marken wie Esprit unter Druck. Dem könne man nur mit einer Neuerfindung entgegentreten, so Harjes. Das sei Esprit nicht gelungen. „Esprit war einst eine angesehene Marke, die mit Stolz getragen wurde. Es ist bitter, dass man die letzten Jahre zusehen konnte, dass diese Marke Stück für Stück stirbt.“

Modebranche unter Druck: Viele Insolvenzen in letzter Zeit

Die Modebranche erlebt schwierige Zeiten, zuletzt gab es eine Pleitewelle. So meldeten unter anderem der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, der Düsseldorfer Modehändler Peek & Cloppenburg, der Modehersteller Gerry Weber und der deutsche Ableger der Modemarke Scotch & Soda Insolvenz an. Die Händler leiden seit längerem unter der Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Beim Kauf von Bekleidung sparen Verbraucher laut einer kürzlich veröffentlichten Idealo-Umfrage stärker als bei anderen Konsumgütern. 

Wie andere Einzelhandelsunternehmen litt auch Esprit unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Der Konzern hatte im Frühjahr 2020 ein Schutzschirmverfahren für mehrere deutsche Gesellschaften beantragt. Die Umsätze des Einzelhandels mit Textilien, Bekleidung und Schuhen lag zuletzt zwar wieder geringfügig über denen von 2019. Viele Händler verdienen jedoch deutlich weniger, wegen der deutlich gestiegenen Kosten für Energie, Personal und Mieten. 

Shein und Temu drängen auf den Markt auch bei Mode

Erschwerend hinzu kommt, dass immer mehr Konsumenten im Internet kaufen und nicht im Geschäft. Asiatische Anbieter wie Shein und Temu erhöhen mit ihren günstigen Angeboten den Druck und verdrängen einen Teil des Preiseinstiegssegments. Der Online-Boom ist zwar abgeflaut, aber der Anteil hat sich auf hohem Niveau etabliert, vor allem bei Mode und Kleidung. 20 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel des gesamten Online-Umsatzes in Deutschland entfallen auf diese Branche, wie Zahlen im kürzlich vom Handelsverband veröffentlichten Online-Monitor zeigen. Der Online-Anteil am Gesamtmarkt für Mode und Kleidung liegt demnach bei mehr als 40 Prozent – so viel wie in keinem anderen Bereich. Die stationären Umsätze hingegen sind seit 2019 um rund 17 Prozent gesunken. 

Im stationären Handel werde weniger Umsatz auf derselben Fläche erwirtschaftet, sagt Experte Marco Atzberger vom EHI Retail Institute. Große Anbieter wie Zara und H&M hätten deshalb vor Jahren begonnen, die Zahl ihrer Geschäfte zu reduzieren. „Andere Anbieter haben erst später reagiert oder können aufgrund laufender Mietverträge nicht schnell reagieren.“ Dadurch komme es bei bekannten Marken zu Schieflagen und Insolvenzen, zum Beispiel bei Esprit.

„Vor 30 Jahren war Esprit eine Riesennummer, vielleicht die strahlendste Marke in Deutschland“, sagt der Geschäftsführer des Handelsverbandes Textil Schuhe Lederwaren, Axel Augustin. Seitdem sind viele Modemarken verschwunden und andere neu dazugekommen, wie zum Beispiel Zara. 

Esprit ist insolvent – „Kontakt zu den Bedürfnissen potenzieller Kunden verloren“

Neben den Problemen, die die gesamte Branche heimsuchen, kamen bei Esprit aber auch Managementfehler hinzu. Britta Harjes sagt dieser Redaktion, Esprit habe „den Kontakt zu den Bedürfnissen potenzieller Kunden verloren“. Auch Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf sagt: „Die Marke ist sehr populär und galt mal als Kult. Aber die alte Strahlkraft ist nicht mehr da. Es ist nicht mehr ganz klar, wofür Esprit steht.“

Als strategischer Nachteil gilt in der Fachwelt, dass die Esprit-Zentrale in Hongkong ist. Entscheidungen würden in Asien getroffen und der europäische Markt vernachlässigt, sagt Johannes Berentzen von der Handelsberatung BBE. „Dafür bekommen die Investoren jetzt die Quittung.“

Aus Sicht von Harjes wird das aber nicht die letzte Kultmarke sein, die dem Ende naht. „In Kombination mit den bekannten wirtschaftlichen Herausforderungen in Deutschland hat die Marke ihr einzigartiges Profil eingebüßt, unter anderem auch, da kaum Innovationskraft zu spüren war. Ich vermute auf Basis der genannten Punkte, dass Esprit auch nicht die letzte Marke in dieser Branche sein wird, die in Deutschland ihre Türen schließen muss“, sagt sie. (mit dpa)

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