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Hochemotionales Hockey-Finale bei Olympia: Tumulte, Tränen und Silber für Deutschland
Reportage
Gold an die Niederlande verloren, Silber gewonnen, aber am Ende gab es fast nur ein Thema für die deutschen Hockey-Herren: Nach dem Finale der Olympischen Spiele in Paris kochten die Emotionen auf beiden Seiten vor den Augen von Bundeskanzler Olaf Scholz etwas über.
Duco Telgenkamp war eigentlich schon auf dem Weg zur niederländischen Jubeltraube in der Ecke des altehrwürdigen Stade Olympique Yves-du-Manoir. Doch dann schoss dem 22-Jährigen, der Holland im Shootout gerade zum Olympiasieg geschossen hatte, offenbar noch etwas anderes durch den Kopf. Er drehte eine Kurve und stattete dem auf dem Boden knienden deutschen Torwart Jean-Paul Danneberg einen Besuch ab.
Das ist das Unsportlichste, was ich jemals in meinem Leben gesehen habe.
“Hat mir noch einen auf den Helm hinterhergehauen”
“Er ist zu mir gekommen und hat den Finger auf den Mund gelegt, mir das ‘Ich soll leise sein’-Zeichen gezeigt. Und dann hat er mir noch einen auf den Helm hinterhergehauen”, beschrieb der geschlagene deutsche Keeper hinterher die Szene im Sportschau-Interview und sendete deutliche Worte an den Kontrahenten: “Das ist das Unsportlichste, was ich jemals in meinem Leben gesehen habe.”
Das fand Teamkollege Niklas Wellen auch, sprintete über das halbe Feld und löste einen orange-schwarzen-Tumult im Schatten der Ringe aus. Es war das hochemotionale Nachspiel eines eher taktisch geprägten Hockeyspiels mit gewissem Vorspiel.
Telgenkamp von Danneberg-Interview “getriggert”
“Wir gehen da mit einer richtig breiten Brust rein, denn ich glaube, die Holländer haben richtig Angst vor uns”, hatte Danneberg vor dem olympischen Endspiel zwischen dem Weltmeister aus Deutschland und den Europameistern aus den Niederlanden gesagt.
“Das hat ihn wohl etwas getriggert”, gab Hollands Coach Jeroen Delmee hinterher zu. “Er darf ihn aber niemals anfassen und muss noch einige Regeln im Hockey lernen.”
Bundeskanzler Scholz unter den Zuschauern
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der seinem Sommerurlaub in Brest für eine Stippvisite bei den Spielen in Paris unterbrochen hat, hatte es irgendwie kommen sehen. “Das sind tolle Menschen, die um alles kämpfen”, hatte der deutsche Regierungschef zu Beginn des zweiten Viertels der Sportschau gesagt, als er auf der Tribüne Platz genommen hatte.
Natürlich meinte der Bundeskanzler die sportliche Auseinandersetzung auf dem Feld. Aber Deutschland gegen die Niederlande ist eben immer eine spezielle Konstellation, egal auf welchem Belag gespielt wird.
Grambusch: “Für uns ist das jetzt gegessen”
Der Applaus der deutschen Hockey-Männer, die 2021 in Tokio undankbarer Vierter geworden waren, fiel bei der Siegerehrung entsprechend spärlich für die Niederländer aus.
Gleichwohl versuchte Kapitän Mats Grambusch auf der offiziellen Pressekonferenz die Wogen zu glätten und das Thema Telgenkamp zu beenden: “Er ist ein junger Spieler und weiß noch nicht so richtig mit seinen Emotionen umzugehen. Für uns ist das jetzt gegessen. Er hat verdient eine Goldmedaille gewonnen.”
Emotional wurde es bei den “Honamas” ohnehin schon genug, auch ohne den Aufreger nach dem letzten Schuss. Waren sie doch so nah dran gewesen am fünften Olympia-Gold nach 1972, 1992, 2008 und 2012.
Prinz mit Liebeserklärung ans Team, …
“Da sind einige Tränen in der Kabine geflossen”, berichtete Thies Prinz und sendete mit Blick auf das ganze Turnier eine kleine Liebeserklärung an seine Teamkollegen. “Die Emotionen mit dieser Mannschaft waren einfach irre. Das sind Freunde und es fühlt sich manchmal auch an wie Familie. Für sie würde ich durchs Feuer gehen.”
… aber trösten kann nur “Mama”
Auf die Frage, wer jetzt am besten trösten könnte, wusste Prinz dann aber doch nur eine Antwort: “Mama, die wird mich sicher gleich in den Arm nehmen.”
Der Weltmeister von 2023 konnte trotz der Trauer über den geplatzten olympischen Gold-Traum schon etwas vorausblicken – auf die Heim-EM 2025 in Mönchengladbach und eine mögliche Revanche gegen “Oranje”. “Dann sind die fällig, auf jeden Fall”, sagte er und lächelte ein bittersüßes Lächeln im Stade Olympique Yves-du-Manoir in Paris.