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„Häppchen und Sekt“: Mitten in Krise startet 28-Jährige im Beauty-Business durch
28 Jahre, einsneunundsechzig groß, lange braune Haare, amtierende „Miss Westdeutschland“ – Regina Gelt hat sich bei Schönheits-Wettbewerben einen Namen gemacht.
Doch nicht nur auf dem Laufsteg gibt die Frau aus Geseke in Nordrhein-Westfalen eine gute Figur ab. Sie ist eine ziemlich erfolgreiche Unternehmerin. Und hat kein Problem damit, als „Karrierefrau“ bezeichnet zu werden. „Wir Frauen verkaufen uns viel zu oft unter Wert, sollten mehr zu unseren Erfolgen und Wünschen stehen.“
Die Geschichte ihres Erfolgs spielt im Düsseldorfer Stadtteil Friedrichstadt, auf einer „Beautymeile“ mit mehreren Kosmetiksalons und einer Schönheitsklinik. Hier hat Regina Gelt im Sommer 2024 zusammen mit einer Freundin ein Studio eröffnet.
„Meine Partnerin ist als Heilpraktikerin vor allem für die medizinischen Behandlungen zuständig“, sagt Gelt. Sie selbst kümmert sich um den Vertrieb und das operative Geschäft. Gelt entschuldigt sich für die „Baustelle“ in einer Ecke des 240-Quadratmeter-Salons: Im Untergeschoss ersetzen Handwerker gerade den alten Laminatboden durch Marmor.
Der Blick auf das Angebot des Studios „En vié“ – angelehnt an das französische Wort für Bedürfnis – verrät: Hier geht es
Frauen können mit einer Fettwegspritze (Doppelkinn ab 150 Euro), Nasenkorrektur (ab 250 Euro) oder einer „Russian Lips“ genannten Lippenunterspritzung (ab 99 Euro) ihr Antlitz optimieren. Auch Vitamin-C-Infusionen, Bio Botox und dauerhafte Haarentfernungen sind möglich.
Regina Gelt bietet außerdem drei- bis viermal pro Monat Workshops an, bei denen es nicht um Äußerlichkeiten geht, sondern um Themen wie „innere Schönheit“, „innere Stärke“ und „Frauensolidarität“.
Das Leben ist schön: Fingerfood, Häppchen und Sekt
Die Kurse finden im Erdgeschoss des Studios statt. Der in Beige-, Rosé- und Goldtönen gehaltene Raum mit schicken schwarzen Sofas und Kronleuchter strahlt etwas von kühler Eleganz aus. „Wenn wir die Sofas in den Raum rücken und es uns hier mit Fingerfood, Häppchen und Sekt gemütlich machen, ist die Atmosphäre ruckzuck eine andere, dann wird es vertraut, fast kuschelig“, erzählt Gelt.
Die Runden, in denen die Kursteilnehmerinnen liebevoll Komplimente austauschen und sich umarmen, wirken wie ein Gegenentwurf zur aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Eine Entwicklung, die von Polarisierung und Spaltung geprägt ist, von scharfen Tönen, Abgrenzungserscheinungen und einem unversöhnlichen Gegeneinander.
In ihren Workshops will Regina Gelt ihren Kundinnen helfen, wieder „mehr in die Kraft“ und „in die Selbstliebe“ zu kommen. Vielen Frauen fehle diese Gabe. Nicht verwunderlich, findet Gelt, „wo wir doch in einer Meckergesellschaft leben und alle zumindest ein Stück weit entsprechend konditioniert sind“.
Sie selbst will das lähmende Muster „zum Glück“ vor ein paar Jahren durchschaut und schließlich durchbrochen haben. Ihr Leben sei dadurch „besser geworden“, sagt sie. Wenn man Regina Gelts Geschichte hört, glaubt man das sofort.
„Aufgewachsen in der Provinz, in einfachen Verhältnissen, als ich 15 war, trennten sich meine Eltern“, erzählt sie. Sie habe dann mit der Mama und der jüngeren Schwester sechs Monate lang in einer Einzimmerwohnung gelebt und zu dritt auf einer Luftmatratze geschlafen. Das sei hart gewesen, es hätte ihr aber auch gezeigt, was Frauen einander geben können.
Zumal in einer Zeit, die außerhalb der Familie extrem herausfordernd gewesen sei. „In der Schule musste ich erleben, was wohl fast jede Frau kennt“, sagt Gelt. „Ganz viele Grüppchenbildung bei den Mädchen, ganz viel Schlechtmachen – mal mehr, mal weniger direkt.“ Weil sie sich aus dem Gezänk raushielt, sei ihr unterstellt worden, sie habe keine eigene Meinung. „Toxische Weiblichkeit in Reinform!“, fasst sie zusammen.
Ausbildung zur Friseurin – doch das war erst Anfang
Nach der Schule machte sie eine Ausbildung zur Friseurin, insgesamt siebe Jahre hat sie in diesem Beruf gearbeitet. Hier will sie eine wichtige Erfahrung gemacht haben. Sie bemerkte eine ungewohnte Offenheit bei den Kundinnen, die ihr nicht selten das Herz ausgeschüttet hätten. Und sich von ihrem Optimismus inspirieren ließen.
Regina Gelt gestikuliert viel. Ihre Augen leuchten, während sie spricht. Das lässt sie nahbar wirken. Ebenso die Tatsache, dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn sie über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Existenz spricht.
Zum Beispiel von der Zeit im ersten Lehrjahr, als sie gerade mal 350 Euro verdiente, aber allein für die Wohnung 400 Euro Miete bezahlen musste. Sie faltete damals nebenher bei „Only“ Klamotten und ging außerdem kellnern.
Als Festangestellte verdiente sie dann rund 1400 Euro netto monatlich, später etwa 200 Euro mehr, „mit Trinkgeld“. Schon damals habe sie das Gefühl gehabt, dass es da noch mehr geben müsse. Sie wollte etwas bewegen, weiter „nach vorne“ gehen, wie sie es beschreibt.
Die Idee, sich mit ihrer Mutter, einer gelernten Kosmetikerin, selbstständig zu machen, scheiterte an Corona. Also baute sie aus, was sie schon eine Weile neben dem Friseurberuf her tat: Kosmetikprodukte und Nahrungsergänzungsmittel verkaufen. „Vertrieb“ sei ihr Ding, sagt sie. Und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten.
Noch während der Pandemie bot sie mehrwöchige Online-Seminare für Frauen an, die ihr Selbstbewusstsein und innere Einstellung zum Leben ändern wollten: raus aus der Opferrolle, rein in die Selbstliebe. Was sie den Frauen beigebracht hat, wünscht sie sich für Deutschland insgesamt: „Mehr Mut! Und ein positives Mindset.“
Ohne Zuversicht, Selbstvertrauen und eine positive Grundeinstellung sei es schwer, gut durchs Leben zu kommen, so die 28-Jährige. Dieser Leitsatz gelte auch im Beauty-Business.
„Dank der verfügbaren Methoden ist es heute überhaupt kein Problem mehr, aus einer grauen Maus einen Hingucker zu machen“, meint Gelt. „Aber ohne Persönlichkeit, ohne positives Mindset verpufft der Effekt.“
Der Krise zum Trotz: „Gute Ideen setzen sich durch“
Regina Gelt weiß, dass viele Menschen die Kosmetik- und Beauty-Branche als oberflächlich und substanzlos abtun, als Glitzergewerbe, in dem es mehr um Schein als Sein geht. Doch die junge Unternehmerin kann mit solchen Klischees nichts anfangen. Aus ihrer Sicht geht es um mehr.
Sie spricht von Jahren der Gängelung durch patriarchale Strukturen. Von fragwürdigen Schönheitsidealen, die nur auf das Äußere gezielt hätten und von Frauen, die sich diesem Diktat viel zu lange gebeugt hätten. Aber nun, so ihre Prognose, sei die Zeit reif, diese traurige Entwicklung endlich zu stoppen.
Dass sie andere Frauen mit ihrer Power begeistert, erlebte Regina Gelt im Frühjahr 2024 bei einem Schönheitswettbewerb in Wernigerode. Dort wurde sie zur „Miss Westdeutschland“ gekürt. Noch schöner empfand sie allerdings das Kompliment einer Mitbewerberin.
Nachdem die Kandidatinnen auf der Bühne gefragt wurden, wem sie den Sieg gönnen, wenn sie nicht selbst gewinnen, war Regina Gelt überwältigt „Sie hat meinen Namen genannt und gesagt, sie würde es feiern, wie ich Frauen untereinander supporte.“ Das hätte sie sehr berührt. Und bestärkt, mit einer offensichtlich wachsenden Zahl von Frauen in genau diese Richtung weiterzugehen.
Natürlich nimmt die Geschäftsfrau die schlechten Nachrichten zur Kenntnis, die permanent eintrudeln. Schwächelnde Wirtschaft, gedrückte Stimmung, Angst vor der Zukunft. Aber in jeder Krise liege auch eine Chance, meint sie. Ach was, viele Chancen!
„Gute Ideen setzen sich durch“, sagt sie, „ich weiß ja, wie riesig der Bedarf ist“. Und sie sehe, was auf ihrem Konto passiert. Schon als Vertrieblerin habe es Monate gegeben, in denen sie zwischen 5000 und 8000 Euro netto verdiente.
„Mit meinen jetzigen Einnahmen liege ich eher noch darüber“, berichtet sie. Hat sie das überrascht? „Nicht wirklich.“ Die Beauty-Branche boome. Noch höher sei allerdings die Nachfrage nach „tiefer seelischer Erfüllung“.
Für das kommende Geschäftsjahr ist Regina Gelt guter Dinge. Im Februar will sie das Konzept der Workshops im kleinen, intimen Rahmen zusammen mit ihrer Partnerin erstmals erweitern. Ein Event mit bis zu 200 Frauen schwebt den beiden vor.
Regina Gelt glaubt, dass die Zeit gekommen ist, den Eingangsbereich des Salons zumindest ab und an gegen große externe Veranstaltungsräume zu tauschen. Zu beobachten, wie die Teilnehmerinnen sich „empowern“ und gegenseitig stützen, sei „der Wahnsinn“. Und das, so ihre Überzeugung, könne überall passieren, wo Frauen sich aufmachen würden, das Beste aus sich herauszuholen.
„Verkrustete Muster verschwinden, Menschen werden frei – und in einem tiefen Sinne schön.“