Die Umstände des Viertelfinal-Aus‘ der deutschen Nationalmannschaft gegen Spanien bei der Europameisterschaft (1:2 nach Verlängerung) hallen auch noch drei Tage nach dem Spiel nach. Besonders über eine Szene reißen die Diskussionen nicht ab: Spaniens Marc Cucurella wehrte in der 116. Minute einen Torschuss vom Jamal Musiala im Strafraum klar mit der Hand ab, doch Schiedsrichter Anthony Taylor ließ weiterlaufen.
Auch der Videoschiedsrichter griff nicht ein und forderte den Referee nicht auf, sich die strittige Szene noch einmal anzuschauen. Für Stuart Attwell lag offensichtlich kein strafbares Handspiel bzw. eine klare Fehlentscheidung des Schiedsrichters vor.
Attwell war schon bei Deutschlands Sieg im Achtelfinale gegen Dänemark als Videoschiedsrichter im Einsatz. Beim 2:0 hatte der Brite zweimal entscheidend in das Spiel eingegriffen. In der 48. Minute kassierte er das vermeintliche Tor zum 1:0 der Dänen wegen einer Abseitsstellung, wenige Minuten später gab er dem Schiedsrichter Michael Oliver das Zeichen, sich ein Handspiel im Strafraum nochmals anzuschauen. Oliver gab nach dem Videostudium einen Elfmeter, den Kai Havertz zur deutschen Führung verwandelte.
„Er hätte den Schiedsrichter brüskiert“
Sechs Tage später gegen Spanien meldete er sich beim Handspiel Cucurellas nicht zu Wort. Der langjährige Weltklasse-Schiedsrichter Manuel Gräfe glaubt, dass Attwell Hemmungen hatte, der deutschen Nationalmannschaft binnen sechs Tagen zum zweiten Mal zum Sieg zu verhelfen. Der ehemalige Fifa-Schiedsrichter kritisiert die Ansetzung des Briten für das Viertelfinale als „unnötiges Risiko“ mit der Attwell zu viel Druck ausgesetzt wurde.
„Unnötig von der Uefa, Attwell diesem Druck auszusetzen. Ja, das muss ein VAR auf dem Niveau ausblenden können! Aber die Video-Schiris (Teil der Wahrheit) sind nicht so gute bzw. keine Top-Schiris. So kam eins zum anderen – leider!“, schreibt Gräfe bei X und äußert dabei einen weiteren Verdacht. Möglich, dass Atwell nicht die Autorität seines Landsmannes untergraben wollte: „Mit weiterem Review zu Cucurella hätte er den nächsten englischen Referee gegebenenfalls brüskiert.“
Auch Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte die Elfmeter-Szenen nach der Spanien-Niederlage verglichen: „Eine Flanke, für die wir gegen Dänemark einen Elfmeter bekommen haben, ist deutlich weniger Elfmeter als das, weil der Ball einfach klar aufs Tor geht.“