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Deutschland will keine Rüstungsgüter mehr aus der Schweiz

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Deutschland will keine Rüstungsgüter mehr aus der Schweiz

Ein Brief aus Deutschland schlägt hohe Wellen. Schweizer Unternehmen seien ausgeschlossen, sich für eine Beschaffung der Bundeswehr zu bewerben, heisst es darin.

Othmar von Matt / ch media

Die Bundeswehr will keine multispektrale Tarnausstattungen aus der Schweiz kaufen.Bild: keystone

Ein Schweizer Unternehmen will an einer grossen deutschen Ausschreibung von 100’000 stationären multispektralen Tarnausstattungen für die Bundeswehr teilnehmen. Der Haken: Die Produktionsstätte des Unternehmens müsse auf EU-Gebiet liegen, heisst es in der Ausschreibung.

Ein Fehler, denkt sich das Unternehmen. Die Europäische Freihandelsassoziation Efta mit der Schweiz, Liechtenstein, Island und Norwegen sei wohl vergessen gegangen. Es wendet sich an das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr.

Dort folgt die Ernüchterung: Die Efta-Staaten seien keineswegs vergessen gegangen. Man habe sich bewusst für eine Produktionsstätte in der EU entschieden. Davon werde man nicht abweichen.

Brief erklärt deutsche «Lex Schweiz»

Kurze Zeit später schafft ein Brief aus Deutschland an das Bundesamt für Rüstung Armasuisse Klarheit, über den «Le Temps» berichtet hat. Man wolle bei der Beschaffung einen Effekt wie bei der Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard vermeiden, teilt das Bundesamt mit, das dem Bundesministerium der Verteidigung untersteht. Eine Produktionsstätte in den Efta-Staaten habe man bewusst ausgeschlossen. Die multispektralen Tarnausstattungen gehörten zu den zentralen Technologien für die Bundeswehr. Zudem müssten sie im Kriegsfall einem Partnerland weitergeben werden können.

Das deutsche Bundesamt bezog sich mit dem Brief auf das Hickhack zwischen Deutschland und der Schweiz um 12’000 Schuss für den Flugabwehrpanzer Gepard. Deutschland wollte sie der Ukraine weitergeben. Es hatte sie in der Schweiz gekauft, brauchte wegen einer Nicht-Wiederausfuhr-Erklärung den Segen des Landes. Diese sagte aus Neutralitätsgründen Nein.

Der Brief ist der Beweis, dass es in Deutschland eine «Lex Schweiz» gibt: Das Land kauft keine Rüstungsprodukte aus der Schweiz mehr. Rüstungschef Urs Loher formulierte es bei «Le Temps» drastisch: «Für Deutschland ist die Schweiz nicht mehr vertrauenswürdig. Im deutschen Parlament zum Beispiel wird ‹Swiss Free› offenbar im gleichen Atemzug wie ‹China Free› verwendet.»

Bereits in den Niederlanden hat das Parlament entschieden, keine Rüstungsgüter aus der Schweiz mehr zu kaufen. Ähnliche Erwägungen gibt es auch in Dänemark und Spanien. Im VBS ist noch nicht klar, ob der deutsche Brief ein Schuss vor den Bug ist oder erst der Anfang.

Bürgerliche weisen sich Schuld zu

Bei den bürgerlichen Parteien sorgt die Situation für gegenseitige Schuldzuweisungen. «Wir sind daran, die Schweizer Rüstungsindustrie definitiv zu zerstören», sagt FDP-Präsident Thierry Burkart. Die Linken hätten mit den Verschärfungen des Kriegsmaterialgesetzes seit Jahrzehnten darauf hingearbeitet. «Die SVP ist jetzt deren Vollstreckerin, weil sie mit der Falschinterpretation unserer Neutralität verhindert, dass Weitergaben von Rüstungsgütern von europäischen Staaten in die Ukraine möglich sind.»

Burkart hatte im 2022 eine Motion eingereicht, in der er forderte, auf eine Nichtwiederausfuhr-Erklärung könne vollständig verzichtet werden, wenn die Lieferung an Staaten erfolge, die unseren Werten verpflichtet seien. «Es hat doch nichts mit Neutralität zu tun, wenn andere Länder sich mit Waffen gegenseitig unterstützen wollen, die sie vor Jahren in der Schweiz gekauft haben.»

Die SVP gibt die heisse Kartoffel an die Mitte weiter. «Der Schaden entstand bei der Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes», sagt Präsident Marcel Dettling.« Schuld daran ist die Mitte mit ihrem Hüst und Hott: Sie verschärfte das Gesetz mit den Linken, wollte aber nach Ausbruch des Kriegs wieder zurück.» Ohne Verschärfung wäre die Ausfuhrkompetenz beim Bundesrat geblieben. «Dieser Politik fehlt die Langlebigkeit.»

Die SVP sei gegen eine Verschärfung des Gesetzes gewesen, habe dann aber keine Ausnahme für die Ukraine machen wollen, weil sie nicht bereit gewesen sei, in Kriegsgebiete zu liefern. «Jetzt bieten wir Hand dazu, dass Länder, die Rüstungsgüter in der Schweiz gekauft haben, diese nach einer Frist von fünf Jahren wieder ausführen dürfen.»

Die Mitte nimmt die Regierung in die Pflicht. «Der Bundesrat kann von sich aus die Ausfuhr von in der Schweiz gekauften Waffen in andere Länder bewilligen, basierend auf Art. 184 und Art. 185 der Bundesverfassung», sagt Präsident Gerhard Pfister. «Die generelle Verschärfung des Waffenausfuhrgesetzes lässt dies immer noch zu. Aber der SVP-FDP-Bundesrat will das nicht tun.» Und dem Parlament sei es bis jetzt nicht gelungen, eine mehrheitsfähige Lösung zu finden.

Den SVP-Vorwurf kontert Pfister mit einer Gegenfrage: «Weshalb wehrt sie sich denn jetzt gegen die Lieferungen von Schutzwesten aus Gründen der Neutralität, will aber die Wiederausfuhr von Waffen erlauben?»

Das Schweizer Unternehmen will nun in einem EU-Staat produzieren. (aargauerzeitung.ch/lyn)

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