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Deutschland bei der EM 2024: Welche Seite des Turnierbaums ist besser?
Deutschland steht sicher im EM-Achtelfinale. Doch in welchem Teil des Turnierbaums landet das DFB-Team? Und wo kann man die eigenen Stärken besser ausspielen?
Wenn du Europameister werden willst, musst du alle schlagen. Jeder kennt diesen Satz, für den man in gewissen TV-Talkrunden arm werden würde. Und jeder weiß: So ganz geht die Rechnung nicht auf.
Wer am Ende den Titel gewinnt, wird auf eine K.-o.-Phase zurückblicken, in der viel mehr zusammengelaufen ist, als die eigene Qualität. Glück im Spielverlauf, aber auch Glück bei den Paarungen und somit im Turnierbaum gehören dazu.
Es gibt nun mal Gegner, die einer Mannschaft mehr liegen und solche, gegen die man sich entweder historisch oder punktuell besonders quält. Auch Deutschland hat solche Gegner.
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Einen dieser Gegner konnte man mit Ungarn in der Gruppenphase mit 2:0 besiegen. Das stimmt positiv. Und doch stellt sich die Frage, ob taktieren lohnt und ob es vielleicht sogar Sinn ergeben könnte, als Gruppenzweiter in die K.-o.-Phase zu gehen.
Das Wichtigste zur EM 2024
ran schaut sich die Situation des DFB-Teams an und wagt eine Prognose.
DFB-Team: Die Ausgangslage für das Achtelfinale
Doch zunächst ein Blick auf die Ausgangslage: Deutschland hat in Gruppe A aktuell sechs Punkte. Bedeutet also, dass die Mannschaft von Julian Nagelsmann bei einem Unentschieden oder einem Sieg gegen die Schweiz als Gruppenerster in das Achtelfinale einzieht.
Dort würde man dann auf den Gruppenzweiten der Gruppe C mit England, Dänemark, Slowenien und Serbien treffen. Vieles deutet darauf hin, dass die Engländer die Gruppe gewinnen werden. Noch ist aber alles offen. Klingt nach einem machbaren Achtelfinale für Deutschland.
Die Krux an der Sache: Spanien steht als Gruppensieger in der Gruppe B fest. Damit treffen sie im Achtelfinale auf einen Gruppendritten und sind dort klar favorisiert. Ein Viertelfinaleinzug ist sehr wahrscheinlich, zeigen die Iberer doch gerade sehr starke Leistungen. In der Runde der letzten Acht könnte es dann, sollte sich Deutschland durchsetzen, zu einem Aufeinandertreffen der beiden Top-Nationen kommen.
Wird das DFB-Team Gruppenzweiter, droht bereits im Achtelfinale ein starker Gegner. Dann käme es nämlich zum Duell mit dem Zweiten der Spanien-Gruppe. Aktuell ist das Italien. Kroatien und Albanien sind ebenfalls noch in der Verlosung, haben je einen Punkt auf dem Konto im Vergleich zu Italiens drei Zählern.
Setzt sich Deutschland hier im Achtelfinale durch, geht es im Viertelfinale möglicherweise gegen England. Träumt man noch etwas weiter, wartet im Halbfinale womöglich Frankreich.
Spanien: Deutschlands Endgegner?
Auf den ersten Blick werden viele wohl sagen: Der Turnierbaum bei einem Gruppensieg sieht etwas milder aus. Zwar gibt es den Giganten Spanien, doch sollte man diesen bezwingen, scheinen Portugal, Belgien oder die Niederlande als mögliche Halbfinalisten bezwingbar zu sein.
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England und Frankreich hingegen waren bei den vergangenen Turnieren sehr stark. 2021 scheiterten die Deutschen an den Engländern im Achtelfinale mit 0:1. Auch Italien ist historisch gesehen ein Gegner, mit dem der dreimalige Europameister häufig Probleme hatte.
Doch die Theorie auf dem Papier könnte täuschen. Denn einerseits haben Italien und England bisher noch nicht so richtig überzeugt. Und andererseits spielen beide eine Art Fußball, die es Deutschland erlauben würde, die eigenen Stärken auf den Rasen zu bringen.
Die Mannschaft von Julian Nagelsmann spielt gerne aktiven Fußball, versucht mit schnellen Kombinationen und hohem Pressing zum Erfolg zu kommen. Gegen England und Italien wäre das möglich. Aber auch gegen Spanien?
Italien konnte gegen die Spanier kaum atmen, hatte Glück, dass Gianluigi Donnarumma dafür sorgte, dass es nicht noch deutlicher wurde. Spaniens Ballbesitzfußball ist erdrückend und zwingt jeden Gegner, der gern den Ball hat, dazu, den eigenen Stil anzupassen.
Es ist fraglich, ob Deutschland damit zurechtkäme. Schließlich ist die Defensive nicht so sattelfest, wie sie im Moment noch scheint. Gerade wenn es wenige Entlastungsphasen nach vorne gibt und der Druck immer größer wird, könnte man ins Wanken geraten.
Die Bilanz zeigt zudem: Bei den vergangenen acht Aufeinandertreffen gewann Deutschland nur ein einziges Mal. In einem Testspiel im November 2014 (0:1). Spanien ist so etwas wie Kryptonit für das deutsche Spiel.
Italien, England und Frankreich: Schwächer als ihr Ruf?
England und Frankreich wirken schlagbarer. Gegen die Franzosen haben die Deutschen im diesjährigen Testspiel ihre Schwierigkeiten gehabt, am Ende aber einen Sieg mitgenommen. Das gibt Selbstvertrauen.
Selbstverständlich ist Frankreich mit diesem Kader leicht favorisiert, wenn es zum Aufeinandertreffen kommen sollte. Doch das Duell würde erst im Halbfinale drohen und schafft es Deutschland bis dorthin, wird man eine unglaubliche Euphorie im eigenen Land entfacht haben.
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Frankreich würde den Deutschen mehr Phasen erlauben, in denen man das eigene Spiel durchdrücken kann. Selbiges gilt für England, die bisher überhaupt nicht überzeugen. Schon 2021 war Deutschland nicht so weit weg vom Niveau der damals starken Engländer. Dieses Jahr ist nicht nur die DFB-Elf deutlich besser, sondern die Three Lions sind womöglich sogar schwächer.
Auch Italien ist nicht in der Form, die sie 2021 zum Europameister machte. Zu groß scheint der Umbruch innerhalb des Teams gewesen zu sein. Gegen Spanien hatten sie nichts entgegenzusetzen, gegen Albanien lief es ebenfalls wechselhaft.
So klanghaft die Namen auch sind: Von der Spielweise her liegen diese Gegner den Deutschen wohl mehr als die Spanier.
Taktieren gegen die Schweiz: Schlechtes Signal?
Abseits dieser Gedankenspiele bleibt natürlich noch eine weitere Frage offen: Wie sinnvoll wäre ein Taktieren gegen die Schweiz aus psychologischer Sicht?
Angenommen Nagelsmann würde sich mit seinen Spielern darauf einigen, mit aller Macht Gruppenzweiter zu werden: Welches Signal sendet er damit an seine Spieler? Dass sie nicht gut genug sind für die Spanier?
Auch die Niederlage an sich würde die Euphorie innerhalb des Landes wieder ein wenig bremsen und womöglich den gut aufgenommen Rhythmus etwas zunichte machen. Letztendlich wäre das Taktieren auch nur die Hoffnung darauf, dass irgendeine andere Nation den Spaniern das Handwerk legt.
Denn spätestens im Finale müsste Deutschland ohnehin gegen sie gewinnen, wenn sie so gut sind, wie sie derzeit wirken. So wahr es auch ist, dass Spanien der mit Abstand unangenehmste Gegner unter den Top-Nationen für Deutschland wäre, so richtig wäre es von Nagelsmann, wenn er nicht versucht, die Tabellenrechner zu seinen Gunsten zu verschieben.
Ohnehin ist anzunehmen, dass er das nicht tun wird. Denn schlussendlich läuft es doch wieder auf die Phrase hinaus, die in mancher TV-Talkrunde viel Geld kostet: Wer Europameister werden will, muss alle schlagen können. Auch jenes Team, das den Anschein macht, Kryptonit zu sein.