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Bosniens Trainer Sergej Barbarez im Sky Interview über Deutschland-Spiel
Bosniens Nationaltrainer Sergej Barbarez spricht im exklusiven Interview mit Sky Sport über seine Ziele, seine Herangehensweise, seine Mannschaft und das Spiel gegen Deutschland am Freitagabend.
Fast seine komplette Zeit als Fußballer verbrachte Sergej Barbarez in Deutschland.
Als er 1992 seinen Onkel in Hannover besuchte, begann in seiner Heimat der Jugoslawienkrieg. Barbarez, 1971 in Mostar geboren, blieb in Deutschland, was für den heute 53-Jährigen zur zweiten Heimat wurde.
Von 1992 bis 2008 spielte er bei Hannover 96, Union Berlin, Hansa Rostock, Borussia Dortmund, den Hamburger SV und Bayer Leverkusen.
Zweimal wurde er in Bosnien zum Fußballer des Jahres gewählt, 2005 sogar zum “Mann des Jahres” und zum Sportler des Jahres. Im April 2024 übernahm der ehemalige Offensivspieler den Posten des Nationaltrainers von Bosnien-Herzegowina.
Sky Sport: Herr Barbarez, auf der Pressekonferenz ging bei Ihrer Uhr plötzlich Siri in deutscher Sprache los. Wie kam es zu dieser lustigen Szene?
Sergej Barbarez: Ich denke sehr viel auf Deutsch (lacht). Fußballerisch sowieso. Als ich angefangen habe, für die bosnische Nationalmannschaft zu spielen, war es für mich nicht einfach, gewisse Sätze auf Bosnisch zu übersetzen. Denn meine fußballerische Ausbildung war komplett auf Deutsch. Aber jetzt passt es mittlerweile wunderbar.
Sky Sport: Wie viel “Deutsch” und wie viel “Bosnisch” steckt in Ihnen?
Barbarez: Das ist gemischt. Ich würde sagen von beidem gleich viel.
Sky Sport: Sie haben im April Ihre Mission als Nationaltrainer begonnen, Bosniens Mannschaft zu alter Stärke zurückzuführen. Am Freitag feiern Sie Ihr Heimdebüt ausgerechnet gegen Deutschland, gegen die eigene Wahlheimat. Was geht in Ihrem Herzen vor?
Barbarez: Eigentlich bin ich innerlich sehr ruhig, aber ich bin auch sehr zufrieden. Ich fühle mich sehr glücklich, überhaupt hier zu sein, diese Arbeit auszuüben und solche Spiele zu haben. Ich sage meinen Spielern immer wieder, dass ich selbst in meiner aktiven Laufbahn nie gegen England, Italien, Holland oder Deutschland gespielt habe. Jetzt habe ich die Ehre, solch ein Spiel zu bestreiten. Unser kleines Land hat bisher nur ein WM-Turnier gespielt hat. Es wäre schön, irgendwann wieder so etwas zu erleben, und dafür arbeiten wir.
Sky Sport: Es geht ausgerechnet gegen Deutschland, gegen das Land, das Ihnen auch viel zurückgegeben hat. Wie oft denken Sie an diese Zeit zurück?
Barbarez: Eigentlich permanent. Ich denke an das, was früher war, und versuche, meinen Spielern mit Rat zur Seite zu stehen, wie man etwas besser machen kann. Man hat als Profi die gleichen Situationen erlebt, gute und schlechte Zeiten durchgemacht. Diese Lebenserfahrung weiterzugeben, das ist meine eigentliche Mission. Den Spielern die Augen zu öffnen, diese Momente zu erleben, sich glücklich zu fühlen, dass sie diesen Job ausüben dürfen. Nationalspieler zu sein und unser Land mit Stolz zu präsentieren.
“Wir wollen die Leute glücklich machen”
Sky Sport: Sie sind zu einer sehr schwierigen Mission angetreten, Bosnien steht in der Weltrangliste auf Platz 75. Ihr langfristiges Ziel ist es eigentlich, sich für die EM 2028 zu qualifizieren. Wie schwierig wird dieses Unterfangen?
Barbarez: Bosnien hat in seiner Geschichte erst ein großes Turnier gespielt. Wir müssen einfache Schritte machen. Wir sind da sehr realistisch, besonders mit diesem jungen Team. Wir haben viele ehemalige und aktuelle Bundesligaspieler im Kader und wollen zeigen, dass wir das durchziehen können. Ich bin sehr, sehr zufrieden mit dem, was wir haben. Wir wollen die Leute glücklich machen. Damit meine ich nicht, große Erfolge zu feiern, sondern bei Turnieren dabei zu sein. Mit der Nationalmannschaft kann man wunderbar arbeiten, es kommen außergewöhnliche Spieler und mit denen muss man viel reden. Das ist meine Art und Weise und das kommt auf mich zu.
Sky Sport: Diese bosnische Mannschaft ist sehr “deutsch”, mit einigen aktuellen und ehemaligen Bundesligaspielern. Ist es ein Vorteil für Sie und Ihr Team, dass Sie die deutsche Liga und auch einige Spieler gut kennen?
Barbarez: Viele aus unserem Staff und unserer Mannschaft haben ihre fußballerische Zeit in Deutschland verbracht. Aber egal, wo man lebt, man kennt den deutschen Fußball und schaut sich auch viele Spiele im Fernsehen an. Davon kann man viel mitnehmen. Aber Qualität bleibt Qualität. Das, was auf dem Platz passiert, kann man nicht vorhersagen.
Sky Sport: Qualität hat ihre Mannschaft definitiv, zum Beispiel mit Ermedin Demirovic vom VfB Stuttgart. Er hat die Deutschen schon ein bisschen vorgewarnt und hat gesagt, dass es eine “andere Sportart” wird am Freitagabend. Was meint er damit? Das Stadion, die Atmosphäre, was ist so anders?
Barbarez: Wir sind ein sehr emotionales Land mit sehr emotionalen Menschen. Wir können natürlich auch negativ sein, aber wir versuchen im Moment genau das zu kanalisieren. Wir haben eine sehr gute Atmosphäre im Team und im ganzen Land, alle stehen hinter uns. Mein Job ist es, realistisch zu bleiben und das auch zu präsentieren. Wir neigen durch unsere Mentalität und Emotion oft zu großen Sachen. In all unseren Spielen wollten die Leute Siege sehen. Aber mittlerweile hören mir sehr viele Leute zu bei dem, was ich sage. Und das ist gut.
Sky Sport: Das Stadion in Zenica fasst nur etwa 12-13.000 Zuschauer. Können Sie erklären, was die Mannschaft erwarten wird?
Barbarez: Ich habe zu meiner Zeit auch schon fast alle Heimspiele dort bestritten. Es ist ein kleines, enges Stadion. Das ist Emotion pur. Ausgewählt zu sein, das Trikot mit dem Wappen zu tragen. Es war immer etwas Besonderes für mich. Ich war sehr stolz, Nationalspieler zu sein. Wir kennen den Spruch, dass Tagesform manchmal Qualität schlagen kann. Daran wollen wir ein bisschen anknüpfen. Aber natürlich wissen wir auch, was die Deutschen können, und das zeigen sie mittlerweile in fast jedem Spiel. In mir haben sie sowieso einen großen Fan.
Sky Sport: Ist die deutsche Mannschaft für Sie auch in Teilen ein Vorbild, weil sie auch aus einer schwierigen Phase herauskam und jetzt den Umbruch unter Julian Nagelsmann gewagt hat? Auch Sie treffen mutige Entscheidungen, ähnlich wie der Bundestrainer.
Barbarez: Der Unterschied ist, dass Deutschland so viele gute Spieler hat (lacht). Wie gesagt, ich bin sehr glücklich über das, was wir haben, was wir ausgewählt haben. Ich bewundere, was in Deutschland getan wurde, nachdem man bei zwei Weltmeisterschaften schon in der Gruppenphase ausgeschieden war. Wenn man sieht, wie die Atmosphäre zuletzt bei der Heim-EM war, das ist eine andere Welt. Ich sehe, wie die Leute in Deutschland auf die Nationalmannschaft reagieren, auf die Spielweise, diese Mentalität und diesen Stolz. Natürlich gibt es immer wieder Probleme, aber es ist sensationell, was die Deutschen alles tun.
Sky Sport: Was wäre für Sie ein Erfolg am Freitagabend? Ein, zwei Tore zu schießen, ein Sieg, oder geht es darum, die Freude wieder zurückbekommen?
Barbarez: Natürlich freuen uns über jeden Sieg, jedes Unentschieden oder jede gute Performance. Aber wir wollen einfach unseren Weg gehen. In acht Monaten gegen England, Holland, Deutschland, Ungarn und Italien zu spielen, ist für uns sehr wertvoll. Wenn im März nächsten Jahres die WM-Qualifikation beginnt, werden wir bereit sein. Das ist unser Ziel. Mutig werden wir sowieso sein. Dann sehen wir, was dabei herauskommt.
Sky Sport: Demirovic spielt mit Stuttgart in der Champions League. Ist er bei Ihnen ein Leitwolf? Können Sie beschreiben, was er Ihrer Mannschaft gibt?
Barbarez: Wir haben drei, vier erfahrene Spieler mit dem ehemaligen Bundesligaprofi Sead Kolasinac oder Braunschweigs Kapitän Ermin Bicakcic. Diese Jungs sind zusammen mit Edin Dzeko die Vorreiter. Demirovic kommt langsam in diese Rolle. Sein Wechsel nach Stuttgart war ein sehr guter Schritt. Ermedin ist ein guter Knipser, der total viel Energie hat. Er läuft nicht einfach hinterher, sondern er benutzt dabei seinen Kopf. Er ist auch sehr gut mit dem Druck umgegangen. Stuttgart ist schließlich keine kleine, sondern eine ambitionierte Mannschaft. Er wird seinen Weg machen, da bin ich mir sicher.
Sky Sport: Bosnien war zuletzt von einer sehr schweren Unwetterkatastrophe miteinigen Toten betroffen. Wie haben Sie als Nationalmannschaft helfen können?
Barbarez: Wir sind keine Freunde davon, dass das jeder sehen muss, was wir tun, aber wir tun sehr viel für die Menschen, die Hilfe brauchen. In diesen Momenten sieht man auch, was es bedeutet, vom Balkan zu kommen, diese Emotion zu haben. Viele Manschen fahren allein in die betroffenen Gebiete und wollen einfach nur helfen. Das ist großartig.
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