Fitness
Aus für die Sportnation Deutschland?: Nach dem Ampelbruch muss der Sport um seine Reform bangen
Seit dem 6. November ist klar: Die Ampel ist Geschichte, und mit ihr auch erstmal die Sportnation Deutschland – zumindest was die Förderung von Spitzensport angeht. Das hart umkämpfte Sportfördergesetz hatte am 5. November endlich sein Go vom Bundestag bekommen: Dieser hatte einen ersten Entwurf beschlossen, einen Tag später entließ Bundeskanzler Scholz den Finanzminister Christian Lindner. Damit zersprang nicht nur die Koalition, sondern auch die Hoffnungen vieler Athlet:innen.
Als sie die Nachrichten gelesen hatte, fühlte sich Karla Borger verunsichert – und war enttäuscht. Die 36-Jährige ist Präsidentin des Vereins Athleten Deutschland, und professionelle Beachvolleyballerin. „Mit Athleten Deutschland hatten wir einen Tag vor dem Ampelbruch eine Kampagne zum Sportfördergesetz gelauncht. Mit dem Ende der Ampel war klar, dass das Sportfördergesetz erstmal pausieren würde und damit auch unsere Kampagne.“
Noch drastischer formulierte es der Verein selbst: „Es schmerzt, dass durch den Ampelbruch die gesamte Spitzensportreform ins Stocken gerät. Es sind zwei Jahre Arbeit vieler Beteiligter in ein sogenanntes Feinkonzept geflossen. Der deutsche Spitzensport kann sich keine weitere Reform leisten, die auf halber Strecke im Sande verläuft.“
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Das Gesetz sollte die Förderung des Spitzensports erstmal gesetzlich verankern und Sportler:innen größere Planungssicherheit geben. Kern dessen sollte eine unabhängige Agentur sein, die die Verteilung der Fördergelder transparenter und unbürokratischer macht. Obwohl es auch an dem Entwurf noch Kritik auf Sporler:innen-Seite gab, war doch die Hoffnung, dass er bis zu den regulären Neuwahlen 2025 noch das gesamte Gesetzgebungsverfahren einschließlich Bundesrat durchlaufen könne.
Mit möglichen Neuwahlen am 23. Februar wird allerdings für 2025 wahrscheinlich gar kein Bundeshaushalt mehr verabschiedet – und die Sportfördergelder auf die Bank am Spielfeldrand verbannt. Zwar schürte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach der 50. Sportministerkonferenz im November in München die Hoffnung, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werde.
Warum sollten Athletinnen keinen Anspruch auf Mutterschutz haben? Warum keine finanzielle Mindestsicherung und angemessenen Versicherungsschutz?
Karla Borger, Beachvolleyballerin und Präsidentin von Athleten Deutschland
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verwies allerdings darauf, dass es noch Klärungsbedarf gebe. „Wir sind mit dem jetzigen Zustand dieses Gesetzes noch nicht zufrieden“, sagte Herrmann. Der aktuelle Entwurf sei zwar eine Verbesserung gegenüber dem aus dem vergangenen Jahr, „aber wir sind noch nicht am Ziel.“
Auch die Athlet:innenvertretung will den Entwurf verbessern, doch „er bot bereits eine gute Basis, auf die eine neue Regierung aufsetzen kann“, sagt Verbandspräsidentin Borger. „Es wäre nur fair, wenn die Politik diese Forderung nach einer Neuwahl mit dergleichen Ernsthaftigkeit prüft wie den Ruf der Verbände nach Entbürokratisierung. Warum sollten Athletinnen keinen Anspruch auf Mutterschutz haben? Warum keine finanzielle Mindestsicherung und angemessenen Versicherungsschutz?“ Laut einer Umfrage des Vereins haben 33 Prozent der Sportler:innen ein zu geringes Einkommen, um sich voll auf den Sport zu konzentrieren.
Dass sie mit einer neuen Regierung bei Null anfangen müsse, denkt die Beachvolleyballerin aber nicht. Sie habe keine Wunschkoalition, sondern hoffe auf Politiker:innen, die Mut haben, wirklich etwas zu verändern. Dabei sei völlig klar, dass das Sportfördergesetz nicht mit Vorhaben wie der Unterstützung der Ukraine oder Erhöhung des Kindergelds konkurriere.
Sport als Treiber für wichtige gesellschaftliche Entwicklungen
Aber eine neue Regierung hat die Chance, „die blumige Rhetorik vom Sport als letztem Lagerfeuer der Nation mit Maßnahmen zu untermauern“. Gemeint ist dabei auch der Sportunterricht, Sanierung von Sportstätten und vernünftige Anstellungen von Trainer:innen. „Sport kann Treiber für so viele wichtige Entwicklungen in der Gesellschaft sein. Das muss sich auch in der Prioritätensetzung der Politik abbilden“, sagt Borger.
Es ist keine Zeit für Wünsche in der Politik.
Torsten Burmester, Noch-Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes
Auch Torsten Burmester, Noch-Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sagte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, dass er sich natürlich eine schnellstmögliche Umsetzung wünsche, die allerdings nichts an Gründlichkeit verliere. „Aber es ist keine Zeit für Wünsche in der Politik. Wir müssen uns auch die Realität anschauen“, sagt er.
Die Olympischen Winterspiele 2026 warten auf keine Sportreform
Zur Realität gehört auch, welche langfristigen Folgen der Ampelbruch für die Sportnation Deutschland haben kann: Die Olympischen Winterspiele stehen 2026 vor der Tür. Nach der ernüchternden Medaillen-Bilanz bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 war sich die Regierung einig: Das sollte sich ändern. Ziel der Sportförderung war ganz klar: Zahl der Medaillen und ersten Plätze insbesondere bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften langfristig zu erhöhen. Konkret heißt das, bei Olympischen Sommerspielen wieder unter die Top 5 im Medaillenspiegel und im Winter weiterhin unter die Top 3.
„Jedes Jahr, das wir verlieren, ist für die Athlet:innen und mögliche Erfolge sehr entscheidend“, sagt Philipp Krämer von den Grünen im Deutschlandfunk. Er ist stellvertretender Vorsitzender im Bundestag Sportausschuss.
Athleten Deutschland rechnet damit, dass das Gesetz überhaupt erst in einem Jahr in einer neuen Regierung wieder auf der Tagesordnung stehen werde. Der Aufbau der Agentur werde aber dauern, deshalb geht der Verein davon aus, „dass erst die Generation nach den Spielen in LA so richtig profitieren wird“. Also ab 2028.
Was bedeutet eine neue Regierung für eine Olympia-Bewerbung 2040?
Nur zwölf Jahre, 2040, später will Deutschland selbst die Olympischen Spiele ausrichten. Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich öffentlich für eine Bewerbung ausgesprochen. Auch hierfür wäre ein schnelles Fördergesetz hilfreich, um Deutschland und seine Medaillenhoffnungen gut darauf vorzubereiten. Dass die Bewerbung aber durch eine neue Regierung gefährdet sei, glauben weder die Athletenvertretung noch der DOSB.
„Alle Äußerungen, die ich kenne, zeigen, dass die Bewerbung breit in der Politik getragen wird. Weil sie einen Zweck hat, der positiv für Deutschland ist“, sagt DOSB-Chef Burmeister im Deutschlandfunk.
Am Ende bleibt auch Karla Borger nur zu hoffen, dass die Reformbemühungen der letzten zwei Jahre nicht vergeblich waren. „Ich bin fast 36 und werde wahrscheinlich nur noch eine Saison spielen. Bis sich die über das Gesetz geplanten Reformen, wie zum Beispiel die Schaffung einer Sportagentur, in unserem Alltag bemerkbar machen werden, werden mindestens drei Jahre vergehen – selbst bei einer raschen Verabschiedung. Insofern würde ich davon ohnehin nicht mehr profitieren können, dafür aber hoffentlich die nachfolgenden Generationen.“