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Filmreife Flucht nach Millionenbetrug: Der tiefe Fall der deutschen Krypto-Könige
Wenig Arbeit, viel Geld: Mit diesem Versprechen brachten drei Deutsche ihre Anleger um fast 140 Millionen Euro. Einer floh vor wenigen Wochen aus dem Hausarrest in New York. Seine Komplizen könnten tot sein.
Der Himmel blau, die Menschen froh, das Boot luxuriös, die Party auf Mallorca umwerfend. Die Firma USI-Tech präsentierte einfach alles, was dazu gehört, um Menschen im Internet davon zu überzeugen, wie erfolgreich das Geschäft mit Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether läuft. Die Branche boomte im Jahr 2017.
Doch das Geschäft, das sich die drei Deutschen Horst J., Ralf G. und Mike K. hinter USI-Tech ausgedacht hatten, war alles andere als perfekt. Es war kriminell, glaubt man US-Ermittlungsbehörden – ein nahezu klassisches Pyramidensystem, in dem das Geld nach oben floss, ohne wirklichen Gegenwert für unten zu erwirtschaften.
Am Ende waren Bitcoin und Ether im Wert von rund 140 Millionen Euro verschwunden und mutmaßlich zu großen Teilen auf Privatkonten des Firmenchefs Horst J. gelandet. Die Firmengründer tauchten 2018 ab. Und die gutgläubigen Anleger hatten jahrelang das Nachsehen.
Das hätte sich nun ändern können. Horst J. wurde nach Informationen von t-online Ende 2023 bei seiner Einreise in die USA verhaftet. Ein großer Erfolg für die Strafverfolgung. Bis dahin waren die Ermittlungen gegen ihn geheim gehalten worden. Vor vier Wochen jedoch gelang J. eine filmreife Flucht.
t-online liegen die Anklageschrift und weitere Gerichtsakten vor. Horst J. war nach der Festnahme in Florida demnach die Weiterreise in ein Haus nach New York erlaubt worden, wo er unter Arrest gestellt wurde. Bis Anfang Oktober.
In einem Brief der Staatsanwaltschaft des Eastern District of New York an die zuständige Richterin vom 10. Oktober heißt es: “Euer Ehren wurde darüber informiert, dass der Angeklagte (…) offenbar seine Fußfessel manipuliert hat und unter Verstoß gegen seine Auflagen geflüchtet ist.” Seitdem ist Horst J. verschwunden. Sein Strafverteidiger antwortete nicht auf Fragen von t-online. Auch auf Fragen des US-Senders CNBC, der zuerst berichtete, reagierten seine Anwälte nicht.
Die Flucht markiert den vorläufigen Höhepunkt eines Betrugsskandals, der über viele Jahre in Deutschland medial nahezu unbemerkt blieb – obwohl die mutmaßlichen Drahtzieher alle aus Deutschland stammen. Horst J.s Familie lebt noch heute in Baden-Württemberg und hinterlegte in New York seine Kaution – immerhin eine Million Euro. Nun, da er verschwunden ist, wird für die Bürgen wohl sogar die Gesamtsumme von fünf Millionen Euro fällig.
Ein stattlicher Betrag – im Verhältnis zu dem Geld, das USI-Tech bei Anlegern einsammelte, allerdings eher zu vernachlässigen. Die drei deutschen Geschäftsmänner Horst J., Ralf G. und Mike K. hatten erstaunliche Verkaufstalente entwickelt. Videoaufnahmen aus dieser Zeit, die t-online vorliegen, zeigen die Männer mit großspurigen Botschaften.
“Wir zeigen (..), dass wir ein Unternehmen sind, das riesig am Markt stehen wird, mit allem, was es überhaupt in der Finanzbranche gibt, okay?”, sagte Ralf G. beispielsweise bei einem Event mit Anlegern auf Mallorca. Andere Videos zeigen die Deutschen im Gespräch mit Influencern aus der Kryptobranche, wie dem mittlerweile berüchtigten US-Amerikaner “Bitcoin Rodney”, mittlerweile selbst Angeklagter in einem milliardenschweren Betrugsverfahren.
Wie wenig hinter dem vermeintlichen Geschäft der Deutschen stand, lässt die Anklageschrift gegen J. erahnen. Gewinne versprach USI-Tech über zwei Wege: erstens über den Erwerb sogenannter “Bitcoin-Pakete” für 50 Euro, die exorbitante Renditen abwerfen sollten – “falsch und irreführend” nennen die US-Ermittler dieses Versprechen. Und zweitens über die erfolgreiche Werbung weiterer USI-Tech-Kunden.
“Wir haben sprichwörtlich Hunderte Stunden am Telefon verbracht, haben was-weiß-ich-wie-viel Geld ausgegeben, um sicher zu sein, dass alles komplett legal in den USA ist”, hieß es da auf der Bühne vor übergroßer US-Flagge. Man habe für diese Einschätzung das ganze Land bereist und den “allerallerbesten [Anwalt] ganz, ganz oben an der Spitze” gefunden. Präsentiert wurde dazu ein Brief mit einer rechtlichen Einschätzung.