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Bosnien-Legende Salihovic: “WM-Titel für Deutschland realistisch”

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Bosnien-Legende Salihovic: “WM-Titel für Deutschland realistisch”

Der frühere Bundesliga-Profi Sejad Salihovic spricht im ran-Interview über die Stärken und Schwächen von Deutschlands Gegner Bosnien, die Qualitäten der DFB-Elf und von Julian Nagelsmann sowie die Krise bei seinem Ex-Verein Hoffenheim.

Von Philipp Kessler

Mit einem Sieg gegen Bosnien (Samstag, 20.45 Uhr im Liveticker bei ran) kann die deutsche Nationalmannschaft vorzeitig den Gruppensieg in der Nations League perfekt machen.

Doch der Außenseiter will dem DFB-Team auch in Freiburg das Leben ähnlich schwer machen wie beim 1:2 im Hinspiel.

Im Gespräch mit ran erklärt der ehemalige Nationalspieler Sejad Salihovic (40), wie seine bosnischen Landsleute drauf sind.

Zudem spricht der frühere Freistoß-Künstler über die beiden Nationaltrainer, die er bestens kennt, Torjäger Edin Dzeko und die schwierige Situation, in der sich gerade sein Ex-Klub Hoffenheim befindet.

ran: Herr Salihovic, Ihr Team geht als krasser Außenseiter ins Spiel. Spricht aus Ihrer Sicht irgendwas für einen Sieg von Bosnien?

Sejad Salihovic: Da muss vieles zusammenpassen. Schon vor dem Hinspiel habe ich gesagt, dass es nicht so einfach für Deutschland wird. Das hat man dann auch gesehen. Trotz alledem glaube ich, dass Bosnien-Herzegowina eine Topleistung braucht, um etwas gegen die Deutschen zu holen.

ran: Sind Sie optimistisch?

Salihovic: Klar, so war ich als Spieler selbst auch früher. Aber man muss auch die Realität und die Qualität der Mannschaft sehen.

ran: Welche Lehren konnte man aus dem 1:2 im Hinspiel ziehen?

Salihovic: Bosnien hat es gut gemacht. Beim 1:0 der Deutschen hat man aber gesehen, welche Qualität der Gegner hat. Wenn die Bosnier Punkte holen wollen, dann müssen sie als Mannschaft auftreten, die Räume eng machen und die wenigen Chancen, die sie bekommen, nutzen. In Zenica hatten sie Kontermöglichkeiten. Darauf müssen sie lauern und die Dinger dann auch machen.

ran: Auf wen kommt es aus bosnischer Sicht am Samstag an?

Salihovic: Edin Dzeko ist immer für ein Tor gut. Ermedin Demirovic ist ebenfalls stark, wenn er seine Leistung bringt. Das sind jene zwei bosnischen Spieler, die gerade am bekanntesten sind. Dazu ist Jusuf Gazibegovic ein Riesentalent, er läuft die Linie rauf und runter. Er kann auch etwas bewegen. Aber wie gesagt, wichtig ist, dass die Mannschaft als geschlossene Einheit agiert. Die Bosnier müssen ihre beste Leistung abrufen. Wenn sie auf dem Platz nicht die Eier haben, um dagegenzuhalten, dann hilft alles nichts.

ran: Sind Sie verwundert, dass Dzeko mit 38 Jahren noch Stammspieler ist?

Salihovic: Nein. Ich kenne ihn ja persönlich. Er ist extrem fit, achtet auf sich – auch in diesem Alter. In den letzten Jahren hat er immer wieder bewiesen, dass er nach wie vor viele Tore macht. Sei es bei Inter Mailand oder jetzt bei Fenerbahce Istanbul. Er ist immer da, immer präsent. Er ist ein Phänomen. Zwar ist er läuferisch nicht mehr so stark wie früher. Aber dann müssen eben die Spieler um ihn herum marschieren und ihm Chancen vorbereiten. Jeder Gegner muss auf Dzeko aufpassen, auch Deutschland.

ran: Demirovic durchlebt bei Stuttgart gerade eine schwierige Phase. Am vergangenen Wochenende hat er beim 2:3 gegen Frankfurt einen Elfmeter verschossen und zweimal die Latte getroffen.

Salihovic: Er hat es aktuell nicht leicht. Mit Undav hat er auch einen starken Konkurrenten in Stuttgart. Demirovic versucht aber, das Beste daraus zu machen. Er gibt immer Vollgas, wenn er auf dem Platz steht. Man darf nicht vergessen, dass er von Augsburg zu einer Champions-League-Mannschaft gewechselt ist. Es ist normal, dass es in der Anfangszeit nicht immer nur rosig laufen wird. Er wird aber dranbleiben und auf seine Chance warten. Er ist ein bulliger Stürmer, der immer wieder gefährliche Aktionen hat.

ran: Verliert Bosnien, steigt die Mannschaft in die Nations-League-Liga B ab. Wäre das ein Drama oder egal?

Salihovic: Nein, das wäre schade. Ein möglicher Abstieg sollte die Mannschaft schon treffen. Die Leute in Bosnien-Herzegowina leben für Fußball. Man sollte immer versuchen, das Maximum zu erreichen. Natürlich hat man nicht mehr die Nationalspieler wie früher, aber trotzdem muss man schauen, dass man die Menschen glücklich macht. Über die Erfolge, die wir damals hatten, waren die Menschen froh. Als Spieler macht dich das auch stolz.

ran: Sechs Spiele, fünf Niederlagen, ein Remis, dazu ein Torverhältnis von 3:13. Ist Sergej Barbarez der richtige Nationaltrainer für Bosnien-Herzegowina?

Salihovic: Ob richtig oder falsch – man muss eine klare Linie reinbringen und dranbleiben. Fakt ist: Die Ergebnisse hat Sergej bislang nicht gebracht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass man sehen muss, welche Gegner man bislang hatte. England, Italien, Niederlande, Deutschland – gegen Ungarn gab es ein Unentschieden und eine Niederlage. Aber ich bin der Meinung, dass es unser Anspruch sein muss, Ungarn in beiden Spielen zu schlagen. Sergej hat eine klare Linie. Aber nur mit Disziplin geht es nicht. Vielleicht muss man mehr Lockerheit reinbringen, davon haben wir früher auch gelebt. Als Trainer muss man es schaffen, dass die Spieler für dich spielen und dir folgen. Das ist schon die halbe Miete, damit hat man eine viel größere Chance, Spiele zu gewinnen. Man sollte Sergej Zeit geben und nicht gleich wieder über einen neuen Coach nachdenken. Als Trainer hat er zwar kaum Erfahrung, aber als Spieler bringt er die mit.

ran: Wie schätzen Sie die deutsche Nationalmannschaft ein?

Salihovic: Sie haben eine Wahnsinnsqualität in der Mannschaft. Deutschland ist eine Weltmacht im Fußball, das werden sie immer bleiben. Julian Nagelsmann macht es gut. Er hat einen Plan. Man sieht, wie er spielen will und was sie erreichen wollen.

ran: Ist der WM-Titel 2026 realistisch?

Salihovic: Natürlich. Für mich sind die Deutschen immer einer der Mitfavoriten auf große Titel. Das hat man auch bei der EM im Sommer schon gesehen. Wenn sie gegen Spanien nicht unglücklich ausgeschieden wären, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass sie Europameister werden, riesengroß gewesen. Seitdem Julian da ist, ist auch die Euphorie wieder vorhanden. Er vermittelt das Miteinander, das Bodenständige.

ran: Sie kennen Nagelsmann noch als junger Trainer zu Hoffenheimer Zeiten. Welche Unterschiede sehen Sie im Vergleich zu damals?

Salihovic: Nach Hoffenheim hat er Leipzig und auch die Bayern trainiert. Nach solchen Stationen fragt man sich, was man besser hätte machen können. Natürlich hat er enorm viele Erfahrungen gesammelt und dazugelernt. Als Mensch und als Trainer hat er sich weiterentwickelt. Er kommt mit Druck richtig gut klar und er hat eine klare Idee – die sieht man auch bei Deutschland. Julian ist ein exzellenter Trainer.

ran: Sie sind drei Jahre älter als er. Wie war es für Sie als Spieler einen jüngeren Trainer zu haben?

Salihovic: Das war überhaupt kein Problem für mich. Man muss jedem Trainer und jedem Menschen die Chance geben, zu zeigen, was man kann. Ganz egal, welches Alter derjenige hat. Er hat deutlich gezeigt, dass er es draufhat. Die Spieler hatten Bock, bei ihm zu trainieren. Jede Einheit dauert knapp zwei Stunden bei ihm. Auch für den Kopf sind die Trainings intensiv, da muss man voll da sein. Ohne Fleiß kein Preis! Die Spieler haben gemerkt, dass er sie weiterbringt. Und wenn dann die Erfolge und Siege dazukommen, dann hat man als Spieler noch größere Lust.

ran: Welche DFB-Stars finden Sie am besten?

Salihovic: Musiala und Wirtz. Ich mag solche Spieler, die den Ball haben wollen und einfach losdribbeln. Das ist Fußball. Ich hatte auch Bock darauf und wollte die Spiele immer gewinnen. Ich mag auch Pascal Groß, weil er das Maximum aus seinen Möglichkeiten rausholt. Ich kenne ihn persönlich, er ist ein guter Freund von mir. Mir gefallen seine Bodenständigkeit und seine Arbeitsmoral. Dazu hat Deutschland Antonio Rüdiger hinten drin. So einen Spieler braucht man auch. Einen, der immer Palaver macht, aber der da ist. Ich mag keine Innenverteidiger, die nicht richtig in die Zweikämpfe gehen. Man braucht Spieler, die vorangehen, auch wenn es schwer wird. Das hat Rüdiger über Jahre hinweg bewiesen.

ran: Kommen wir zurück zu Hoffenheim. Sie sorgten mit dem Verein in der Bundesliga einst für Furore. Nun ist der Klub im Abstiegskampf. Wie ernst ist die Lage derzeit wirklich?

Salihovic: Für mich ist die Lage schon ernst. Es herrschte zuletzt viel Unruhe im Verein, auch in der Mannschaft. Die Jungs kriegen viel mit. Man hat sich im Sommer von Alex Rosen getrennt, weil man einen neuen Weg einschlagen wollte. Mit Andi Schicker hat man kürzlich einen neuen Sportdirektor geholt, der in den letzten Jahren bei Sturm Graz bewiesen hat, dass er Qualität hat. Dort hatte er auch Erfolg. Er hat sich in den vergangenen Wochen ein Bild gemacht und möchte den Verein nun wieder nach vorne bringen.

ran: Trainer Pellegrino Matarazzo wurde am Montag nach nur neun Punkten in zehn Bundesliga-Spielen entlassen.

Salihovic: So ist leider das Geschäft. Ich kenne den Trainer. Er hat versucht, seinen Job so gut wie möglich zu machen. Aber am Ende sieht man die Ergebnisse, die Punkte und dass man in der Tabelle nur auf Platz 15 steht. Für einen Verein, der solche Ambitionen wie Hoffenheim hat, ist das einfach zu wenig. Das ist meine Meinung. Mit welchen Teams will man sich messen? Es gibt in der Bundesliga nur vier, fünf Mannschaften, die finanziell stärker sind. Vor den restlichen Teams muss Hoffenheim liegen. Nun muss sich der Verein Schritt für Schritt mit guter Arbeit wieder nach oben kämpfen. Hoffenheim lebt vom familiären Umgang mit den Fans, Mitarbeitern und Sponsoren. Den ehrlichen Umgang miteinander muss man wieder reinbringen. Dazu hat der Verein mit SAP und Dietmar Hopp große Macht im Rücken. Man hat die Möglichkeiten, etwas zu erreichen. Man darf sich nicht mit dem Minimum zufriedengeben. Man muss auch wieder lernen, hart für seine Ziele zu arbeiten.

ran: Zuletzt gab es immer wieder Fanproteste gegen Hopp.

Salihovic: Ich liebe unsere Fans in Hoffenheim. Aber dass man es so hinstellt, als ob die Anhänger der Verein sind und nicht Dietmar Hopp, das ist realistisch gesehen nicht richtig. Dieser Mann hat dem Verein und auch der Region so sehr geholfen. Man darf nicht nur eine Person rauspicken, es waren auch andere Leute an der Macht, die den Verein mit ihren Entscheidungen dorthin gebracht haben, wo er aktuell steht. Hoffentlich geht es bald wieder bergauf. Der Klub hat so viel Potenzial.

ran: Sie waren bis Sommer 2022 Co-Trainer von Hoffenheims zweiter Mannschaft. Nach wie vor sind Sie Vereinsbotschafter. Wie sieht Ihre Rolle bei der TSG aus?

Salihovic: Ich bin nach wie vor im Verein aktiv. Ich versuche, stets meine Meinung einzubringen. Ich kenne die Menschen und weiß, was wichtig ist, um Erfolg zu haben. Man darf nicht verkrampfen. Fußball ist zwar ein Business. Aber man muss den Job mit Herzblut und auch einer gewissen Lockerheit machen. Denn am Ende ist es “nur” Fußball.

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