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Digitale Überwachung: Deutschland führend bei Nutzerabfragen in Europa
Kaum ein Land überwacht die Internetaktivitäten seiner Bürger so sehr wie Deutschland. Interessant ist auch, dass sich vor allem sogenannte „liberale Demokratien“ besonders für die Nutzerdaten ihrer Bürger interessieren. Wie sehr spielt die Einschränkung der Meinungsfreiheit dabei eine Rolle?
Deutschland hat sich als Spitzenreiter bei der Abfrage von Nutzerdaten durch Behörden in Europa herauskristallisiert. Eine aktuelle Studie des VPN-Anbieters Surfshark offenbart, dass deutsche Behörden in einem Zeitraum von fünf Jahren (2013-2020) insgesamt 489.669 Nutzeranfragen an große Technologieunternehmen wie Google, Facebook und Apple stellten. Dies entspricht etwa 69 Anfragen pro 10.000 Einwohner und positioniert Deutschland an der Spitze der europäischen Länder. Im globalen Vergleich liegt Deutschland auf dem fünften Platz, hinter Singapur, den USA, Australien und dem Vereinigten Königreich. Besonders beunruhigend ist der drastische Anstieg der Anfragen: Zwischen 2013 und 2020 hat sich die Zahl in Deutschland mehr als verdreifacht, von 27.480 auf 97.518 pro Jahr.
Die Dimension der deutschen Überwachungsaktivitäten wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass 57 Prozent aller in Westeuropa abgefragten Konten auf Deutschland entfallen. Noch besorgniserregender ist die Tatsache, dass deutsche Behörden mehr als siebenmal so viele Auskünfte zu Nutzerkonten pro Einwohner beantragten wie der weltweite Durchschnitt. Im Gegensatz dazu stehen Österreich und die Schweiz, die eine deutlich zurückhaltendere Praxis bei der Abfrage von Nutzerdaten aufweisen. Österreich verzeichnete im gleichen Zeitraum lediglich 7.680 Anfragen, was etwa 9 Anfragen pro 10.000 Einwohner entspricht. Die Schweiz liegt mit 13.529 Anfragen oder circa 16 pro 10.000 Einwohner ebenfalls weit hinter Deutschland zurück.
Im internationalen Vergleich liegen die „liberalen Demokratien“ weit vorne. Neben den Europäern und den Anglosachsen gehören auch Südkorea, das sozialistisch regierte Brasilien und die Türkei zu den Spitzenreitern. Interessant ist, dass Länder wie Russland (0,8 Anfragen pro 10.000 Einwohner) und China (0,7) den Big-Tech-Giganten kaum Anfragen sendeten. Allerdings hat die Volksrepublik unabhängig eigene Überwachungs- und Zensursysteme aufgebaut, sodass deren Zahlen nicht aussagekräftig sind. In Russland, wo ebenfalls andere heimische Plattformen (z.B. VKontakte) dominieren, liegt der Fall ähnlich.
Die Gründe für die hohe Anzahl an Anfragen in Deutschland sind vielfältig. Laut Surfshark spielen Faktoren wie die Größe der Bevölkerung, die Internetdurchdringung und die rechtlichen Rahmenbedingungen eine Rolle. Zudem könnte die verstärkte Terrorismusbekämpfung seit 2015 zu einem Anstieg der Überwachungsmaßnahmen geführt haben. Andererseits hat sich die linksgrüne deutsche Bundesregierung als besonders engagiert in Sachen Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet gezeigt, was ebenfalls zu diesen hohen Zahlen geführt haben dürfte.
Interessant ist auch die unterschiedliche Erfolgsquote der Anfragen. Während in Deutschland durchschnittlich 52 Prozent der Anfragen zu einer Datenherausgabe führten, lag die Quote in Österreich bei 59 Prozent und in der Schweiz bei 74 Prozent. Dies könnte auf Unterschiede in den rechtlichen Anforderungen oder der Qualität der Anfragen hindeuten. Die Studie beleuchtet auch die Rolle der Tech-Unternehmen. Google erhielt mit Abstand die meisten Anfragen, gefolgt von Facebook und Microsoft. Apple hingegen verzeichnete vergleichsweise wenige Anfragen, was möglicherweise auf strengere Datenschutzrichtlinien zurückzuführen ist. Interessanterweise ist Apple seit 2016 am auskunftsfreudigsten und hat seine Offenlegungsquote von 75 Prozent im Jahr 2016 auf 83 Prozent im Jahr 2022 gesteigert.
Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen zeigen sich besorgt über diese Entwicklung. Sie warnen vor einer schleichenden Ausweitung der staatlichen Überwachung und fordern mehr Transparenz sowie strengere Kontrollen bei der Datenabfrage. Experten warnen zudem, dass die geplante EU-Verordnung zur Chatkontrolle die staatlichen Zugriffsmöglichkeiten auf Kommunikationsdaten von Nutzern noch weiter ausweiten könnte. Die deutschen Behörden verteidigen ihr Vorgehen und betonen die Notwendigkeit dieser Maßnahmen für die nationale Sicherheit und Strafverfolgung. Dennoch bleibt die Frage, ob der aktuelle Umfang der Datenabfragen verhältnismäßig ist und wie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sicherheitsinteressen und Privatsphäre erreicht werden kann. Fraglich ist vor allem, wer hier verfolgt wird – echte Terroristen und Straftäter oder Menschen, die lediglich kritische Ansichten kundtun.