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Eine Wehrpflicht würde Deutschland bis zu 70 Milliarden Euro kosten, errechnet Ifo – und macht einen alternativen Vorschlag
Das Münchner Ifo-Institut warnt vor hohen volkswirtschaftlichen Kosten bei einer Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland.
Je nach Szenario würde eine Wehrpflicht die Wirtschaftsleistung um drei bis 70 Milliarden Euro verringern.
Als Alternative schlägt Ifo-Experte Panu Poutvaara vor, die Bundeswehr besser auszustatten und den Dienst für Soldaten mit höheren Gehältern attraktiver zu machen.
Die Bundeswehr sieht sich auch als Folge von Russlands Angriff auf die Ukraine vor neuen Aufgaben. Dazu braucht sie mehr Personal – und eine breitere Verankerung in der Gesellschaft. Beiden Zielen könnte die Wiedereinführung einer Wehrpflicht dienen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lässt dazu Szenarien prüfen. In der Diskussion warnt nun das Münchner Ifo-Institut vor hohen volkswirtschaftlichen Kosten. Je nach Szenario würde eine Wehrpflicht die deutsche Wirtschaftsleistung um jährlich drei bis 70 Milliarden Euro drücken, errechneten die Forscher.
„Als Alternative zur Wehrpflicht wäre es sinnvoller, die Bundeswehr mit mehr Mitteln auszustatten, um sie als Arbeitgeber attraktiver zu machen“, sagte Ifo-Experte Panu Poutvaara. „Denkbar wäre es, den Wehrdienstleistenden höhere Gehälter zu bezahlen.“
Pistorius hatte im Juni Pläne für ein neues Wehrdienstmodell vorgestellt. Er will zunächst die vor 13 Jahren ausgesetzte Erfassung von Wehrfähigen wieder aufbauen. Junge Männer will er verpflichten, in einem Fragebogen Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst zu geben. Wer dann ausgewählt wird, müsste sich einer Musterung stellen. Für junge Frauen soll dies freiwillig möglich sein. Zugleich wird diskutiert, ob eine allgemeine Dienst- oder Wehrpflicht notwendig ist, die über das Militär hinausgeht.
Ifo: Wehrpflicht verändert die Berufsplanung
Die Wehrpflicht war 2011 in Deutschland unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Das kam einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich.
Das Ifo-Institut untersucht drei Szenarien: Betreffe die Wehrpflicht den gesamten Jahrgang, drücke dies die Wirtschaftsleistung um 1,6 Prozent beziehungsweise 70 Milliarden Euro. Werde wie bei der alten Wehrpflicht nur etwa ein Viertel eines Jahrgangs eingezogen, wären es 17 Milliarden Euro. Bei fünf Prozent eines Jahrgangs – laut Ifo entspräche dies dem Modell Schwedens – wären es drei Milliarden.
„Eine Wehrpflicht im Rahmen eines sozialen Pflichtjahres würde jährlich wirtschaftliche Kosten verursachen, die in etwa so groß sind, wie die Mittel aus dem Verteidigungshaushalt und dem Sondervermögen Bundeswehr im Jahr 2024 zusammen“, sagte Ifo-Militärexperte Marcel Schlepper. Die Kosten entstünden vor allem, weil junge Menschen erst später anfingen, Humankapital, also Bildung sowie Vermögen aufzubauen. Eine Wehrpflicht zwinge Betroffene, ihre Bildungs- und Berufsplanung anzupassen. In der Studie stellten die Forscher negative wirtschaftliche Folgen bei Einkommen und Konsum bis zum Lebensende fest.
Mehr Soldaten werden teuer: Wer trägt die Kosten?
Die von Poutvaara vorgeschlagene bessere Ausstattung der Bundeswehr würde in den Szenarien nur etwas mehr als die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Kosten verursachen. Die militärischen Fähigkeiten. könnten aber ebenso stark ausgebaut werden. Allerdings würde diese Variante den Staatshaushalt stärker belasten, weil höhere Gehälter gezahlt werden müssten. Je nach Szenario geht auch das weit in die Milliarden.
Die Forscher stellen auch die Frage der Fairness: Werde nur ein kleiner Anteil eines Jahrgangs verpflichtet, entstünden Zweifel an der Wehrgerechtigkeit, sagte Poutvaara. Bei einer Marktlösung mit höheren Gehältern müssten dagegen alle gleichermaßen die höheren Staatsausgaben finanzieren. „Bei einer Wehrpflicht entstehen für die Nicht-Wehrpflichtigen kaum Kosten“, sagte auch Schlepper. „Das mag erklären, warum eine Wehrpflicht insbesondere bei jenen Altersgruppen so beliebt ist, die nicht selbst betroffen wären.“
Mit Material der dpa